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Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Klee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Faro
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Schülerlotse im knallgelben Gilet
wichtig und winkte eine Gruppe Knirpse über die Straße, die herumhüpften und kicherten
und sich an den Jacken zogen. Leo hätte ihnen am liebsten mit der Hupe Beine gemacht,
aber Pestallozzi schien die kurze Unterbrechung Spaß zu machen, jedenfalls konnte
ihm der Nachzügler mit dem Spiderman-Pullover sogar ein Lächeln entlocken. Endlich
war das Grüppchen auf der anderen Straßenseite angelangt und Leo gab Gas, dass es
sie beide in die Polster presste. Pestallozzi wandte den Kopf.
    »Na, na.
Ich würde gerne lebend ankommen.«
    Leo schwieg
bockig. Wenn der Chef es darauf anlegte, ihn heute eben wie einen Chauffeur und
nicht wie einen Kollegen zu behandlen, auch gut. Aber dann bitte schön …
    »Leo, deine
Meinung würde mich wirklich interessieren«, sagte Pestallozzi so unvermutet, dass
Leo beinahe den falschen Gang erwischte. »Was ist dir seit dem Mord am Gleinegg
aufgefallen? Und zwar im ganz allgemeinen Sinn! Etwas ist doch völlig anders als
bei all unseren bisherigen Ermittlungen in ähnlichen Fällen. Ich meine jetzt, wenn
ein Verbrechen in einem begrenzten Umfeld stattgefunden hat. Etwas ist anders. Verblüffend!
Findest du nicht auch?«
    Leo verstand
nur Bahnhof. Was war anders? Verblüffend? Im begrenzten Umfeld? Er merkte, wie seine
Handflächen zu schwitzen begannen. Verdammt, er musste sich auf die Straße und den
Gegenverkehr konzentrieren, wie sollte er da den verschlungenen Gedankengängen vom
Chef folgen! Aber der schien zum Glück gar keine Antwort zu erwarten, sondern sinnierte
weiter vor sich hin.
    »Weißt du,
was anders ist? Ich sage es dir! Noch keine einzige Person im direkten Umfeld, ob
in der Familie oder unter Bekannten, hat bis jetzt versucht, den Verdacht auf jemanden
zu lenken. Es gibt bis jetzt keinen anonymen Hinweis, keine Denunziation. Das habe
ich noch nie erlebt. Es ist, als ob alle …«
    Er versank
wieder in Schweigen, Leo hielt die Luft an. Besser so, als dass der Chef würde ihn
wieder mit rätselhaften Fragen pesten. Und außerdem würde er sowieso in den nächsten
Minuten erfahren, was der Krinzinger gefunden hatte. Sie passierten nämlich bereits
die Ortseinfahrt und fuhren, nun schon viel langsamer, durch die kurze Allee. Eine
Schulklasse kam ihnen entgegen, schon wieder, offenbar war heute landesweiter Wandertag.
Leo parkte vor den Fenstern der Polizeidienststelle. Irgendwie war er enttäuscht,
er hatte sich Trubel und Aufregung erwartet, stattdessen bewegten sich nicht einmal
die Blätter an den Platanen. Sie betraten das Büro, das in einem seltsamen Halbdunkel
lag, offenbar waren die Jalousien herabgelassen worden, aus welchen Gründen auch
immer. Der junge Gmoser war gleich hinter der Tür postiert, er salutierte sichtlich
aufgeregt, wagte aber nicht, sie anzusprechen. Drei Schritte weiter stand Krinzinger
vor dem Schreibtisch, so steif, als ob er dort seit seinem Anruf Wache gehalten
hätte.
    »Kollege
Krinzinger«, Pestallozzi nickte ihm freundlich zu.
    Krinzinger
salutierte ebenfalls.
    »Melde gehorsamst,
dass der fragliche Gegenstand seit meiner Meldung nicht berührt oder verändert wurde.«
    Er trat
einen Schritt zur Seite und gab den Blick auf ein weißes Kuvert frei, auf dem ein
schäbiges, eher kleines Messer mit einem abgenutzten Holzgriff lag. Leo holte tief
Luft. Das ist alles, dachte er eine Sekunde lang. Dann fühlte er, wie das Kribbeln
in seinem Nacken einsetzte. Die Mordwaffe. Vielleicht. Möglicherweise. Ach was,
ganz bestimmt. Endlich.
    Pestallozzi
nestelte einen dünnen Gummihandschuh aus einer Jackentasche und zog ihn über seine
rechte Hand. Er beugte sich über das Messer und betrachtete es eingehend, dann stupste
er es mit einem gummiüberzogenen Zeigefinger einen Millimeter zur Seite, um das
Kuvert in Augenschein zu nehmen. Krinzinger wagte sich respektvoll näher.
    »Ein ganz
normales wattiertes Kuvert. Adresse hat es keine gebraucht, weil es direkt in den
Postkasten draußen eingeworfen worden ist. Der einzige Hinweis ist der Stempel vom
›Kaiserpark‹. Aber ich habe dort noch nicht nachgefragt. Ich wollte auf Ihr Eintreffen
warten.«
    »Danke,
das war wirklich umsichtig von Ihnen, Kollegen.« Pestallozzi lächelte Krinzinger
und Gmoser zu, die beide strammstanden wie bei einer Ordensverleihung. Dann wandte
er sich an Leo. »Hast du Tüten dabei?«
    Aber Leo
hatte bereits vorausgedacht, betont lässig hielt er dem Chef zwei Plastiktüten hin.
Pestallozzi ergriff das Messer mit der behandschuhten

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