Blutiger Klee: Roman (German Edition)
und Krinzinger standen bei
der Kaffeemaschine und steckten die Köpfe zusammen.
»Ich störe
Sie nur ganz kurz, Kollegen«, sagte Pestallozzi. »Aber wer wohnt da über Ihnen im
ersten Stock? Ich glaube, ich kann mich erinnern, dass beim letzten Mal jemand hinter
dem Vorhang gestanden ist.«
Krinzinger
schnaubte, Röte stieg von seinem Hemdkragen bis zu seinen Wangen hoch, es sah aus
wie ein Experiment mit Lackmuspapier.
»Das ist
die Brandauer Evamarie. Eine unscheinbare Person, aber ein stilles Wasser. Eine
Unruhestifterin, wie’s im Büchl steht. Kaum, dass sie hergezogen ist vor zwei Jahren,
hat es auch schon Probleme gegeben. Auf den Parkplätzen vor dem Haus steht doch
wirklich groß und deutlich ›Reserviert für Dienstfahrzeuge‹. Jeder Blinde kann das
lesen, nur die Frau Brandauer nicht. Und wie ich sie darauf hingewiesen habe, sehr
höflich übrigens, ist sie auch noch frech geworden. Dabei …«
»Könnte
diese Frau Brandauer denn nicht etwas gesehen haben?«
Krinzinger
sah betreten, dann trotzig drein. »Und wenn schon, die erzählt bestimmt nichts.
Bevor die der Polizei hilft, da müsste schon …«
»Na, einen
Versuch ist es jedenfalls wert. Danke, Kollegen.«
Sie gingen
erneut nach draußen und sahen sich suchend um, Leo deutete nach rechts. Wie bei
dem Aufzug zum Loft von Henriette Gleinegg lag auch hier der Eingang auf der rechten
Hausseite, aber das war auch schon die einzige Gemeinsamkeit. Eine schmucklose Tür
aus braunrotem Metall war in die hellgraue Fassade eingelassen, daneben waren zwei
Schilder mit Klingelknöpfen angebracht. Das eine Türschild war noch weiß und leer,
auf dem anderen klebte ein Stück Papier, auf das vor längerer Zeit mit einem Kugelschreiber
ein Name gekritzelt worden war. Die Schrift sah jedenfalls aus, als ob sie viele
Regengüsse abbekommen hätte. Pestallozzi nickte, und Leo drückte auf den Klingelknopf.
Nichts geschah, Leo drückte wieder. Und wieder. Endlich knisterte es in der Gegensprechanlage,
eine Frauenstimme war zu hören, die »Ja, bitte?« flüsterte.
Pestallozzi
neigte sich zu dem Mikrofon. »Frau Brandauer, wir sind Beamte aus Salzburg und würden
Ihnen gerne ein paar kurze Fragen stellen. Dürfen wir hinaufkommen? Sie können gerne
vorher bei Inspektor Krinzinger nachfragen. Lassen Sie sich Zeit!«
Aber die
haben wir doch gar nicht, dachte Leo. In diesem Moment wurde auf den Öffner gedrückt
und die Tür sprang summend auf. Sie betraten das Stiegenhaus, das fensterlos wie
ein düsterer Turm nach oben führte. Im ersten Stock gab es links und rechts offenbar
je eine Wohneinheit, im linken Türrahmen stand eine Frau und sah ihnen besorgt entgegen.
»Frau Brandauer?«
Pestallozzi trat mit einem strahlenden Lächeln auf sie zu und streckte ihr die Hand
entgegen. »Ich bin Artur Pestallozzi und das ist mein Kollege Leo Attwenger. Sie
brauchen sich nicht die geringsten Sorgen zu machen, glauben Sie mir. Aber es besteht
die Möglichkeit, dass Sie uns bei Ermittlungen weiterhelfen könnten, möglicherweise.
Dürfen wir ganz kurz hereinkommen?«
Der Chef
hätte sogar die alte Schützenhofer zum Schmelzen gebracht, dachte Leo. Die mich
immer so mit ihrem ›ti-ätsch‹ sekkiert hat, dieser Englischdrachen. Allerdings,
die Frau vor ihnen hatte nicht die allerkleinste Ähnlichkeit mit der Schützenhofer,
und mit einem Drachen schon gar nicht. Sie sah im Gegenteil so blass und farblos
aus, dass sie mit der kreidefarbenen Tapete und dem ockerfarbenen Teppichboden beinahe
zu verschmelzen schien. Du lieber Himmel, wie kann man bloß so wohnen, dachte Leo.
Hier krieg ich ja eine Depression, wenn ich nur ins Zimmer hineinschaue.
Die Frau
machte eine schüchtern-einladende Bewegung, und sie folgten ihr durch einen Vorraum
in das offenbar einzige Zimmer der Wohnung. An Möbeln gab es nur ein Bett und einen
Schrank, die aussahen wie von einer Jugendherberge ausgemustert. Eine winzige Kochnische
schloss sich an das dreiteilige Fenster an, eine weitere Tür führte bestimmt in
das Badezimmer. Überall standen Kisten und Kartons, neben dem einzigen Sessel, einem
aufklappbaren Campingstuhl, stand eine leere Kaffeetasse auf dem Boden. Die Frau
verknotete ihre Hände.
»Es tut
mir furchtbar leid, aber ich kann Ihnen nichts anbieten, nicht einmal eine Sitzgelegenheit.
Es ist wirklich …«
Das Lächeln
von Pestallozzi ließ sie verstummen.
»Wir werden
Sie ganz bestimmt nicht länger aufhalten als nötig! Sie ziehen gerade aus? Oder
ein?«
Sie lächelte
zum
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