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Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Klee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Faro
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Rechten und drehte und wendete
es knapp vor seinen Augen, dann ließ er es vorsichtig in die erste Tüte gleiten.
Das weiße Kuvert, das offensichtlich mit Luftpolsterfolie gefüttert war, die leise
knackte, wurde ebenfalls verpackt. Pestallozzi reichte die Tüten an Leo weiter,
dann wandte er sich nochmals an Krinzinger.
    »Wenn ich
es recht verstehe, dann ist das also kein offizieller Postkasten, der da draußen
neben dem Eingang hängt?«
    Krinzinger
schien nicht besonders glücklich über diese Frage. Er inspizierte ausgiebig seine
Schuhspitzen, die erschreckend staubig waren. Aber die Zeiten waren lange vorbei,
in denen eine gehorsame Gattin zu Hause die Schuhe geputzt und gewienert hatte.
Er seufzte. Und der Postkasten? Wie sollte er das dem Chefinspektor aus der Stadt
erklären?
    »Also, na
ja, das ist bei uns eben so. Den Kasten, also den gibt’s schon ewig. Der ist schon
da gehängt, wie wir noch ein Gendarmerieposten waren und noch nicht zur Polizei
gehört haben. Na ja, und dann ist er eben geblieben.«
    »Aha.« Pestallozzi
klang weder beeindruckt noch entrüstet. »Und diese Einrichtung hat sich bewährt,
nehme ich an?«
    Krinzinger
blickte kämpferisch drein. »Wohl, das kann man so sagen! Na ja, oft genug stopfen
irgendwelche Lausbuben Unsinn hinein, Pornoheftl und solche Sachen. Und zu Silvester
explodieren immer ein paar Knallfrösche drinnen, darum schaut der Kasten auch so
ramponiert aus. Aber es gibt auch Hinweise, die wollen einem die Leute halt nicht
so offen ins Gesicht sagen. Das sind ja keine Denunzianten da im Ort. Aber manchmal
war es schon wichtig, dass wir Sachen erfahren haben. Vor zwei Jahren war der alte
Palfinger oben bei der Seilbahnstation schon so schwach, dass er seine Tiere nimmer
hat versorgen können. Aber er hat es nicht zugeben wollen und niemanden um Hilfe
gebeten. Wenn wir da nicht einen Zettel gefunden hätten, dann wären die Küh’ im
Stall vom Palfinger elendiglich verreckt. Wir haben nachgeschaut, der Gmoser und
ich, und im letzten Moment den Tierarzt verständigt. Zwei Gefleckte hat der gleich
notschlachten müssen. Der Sepp ist jetzt im Altersheim. Der war noch schlechter
beisammen als seine Viecher.«
    Pestallozzi
nickte bedächtig. »Und wie oft schauen Sie in den Kasten? Jeden Tag?«
    Krinzinger
nickte eifrig. »Jeden Tag, wenn ich von meiner Runde komme. Heute bin ich sogar
bis rauf zur Bundesstraße gegangen und durch die neuen Reihenhäuser an der Ortseinfahrt
wieder zurück. Wir haben in letzter Zeit immer öfter Probleme mit Vandalen, so Schmierfinken,
die da herumsprayen. Da wollte ich einmal nachschauen. Dann bin ich durchs Zentrum
gegangen, am ›Kaiserpark‹ und am Kurpavillon vorbei, dort bin ich auch dem Herrn
Vizebürgermeister begegnet. Um halb elf war ich zurück. Ich hab die Reklamen und
ein Flugblatt von der Gewerkschaft und das Kuvert mit ins Büro genommen. Dann bin
ich, ich meine, dann habe ich nachgeschaut. Das war vielleicht ein Schock, wie das
Messer aus dem Kuvert rausgefallen ist. Ich hab’s nur einmal ganz kurz mit dem Taschentuch
angefasst und aufgehoben. Und dann habe ich sofort bei Ihnen angerufen.«
    Pestallozzi
wandte sich zum Gehen.
    »Leo, du
fährst mit dem Messer und dem Kuvert ins Labor. Das hat jetzt absolute Priorität.
Ich glaube zwar nicht, dass sich Fingerabdrücke finden lassen, aber vielleicht kann
man ja Blutspuren am Holzgriff feststellen. Dann hätten wir Gewissheit. Vorher müssen
wir aber noch ins ›Kaiserpark‹ hinüber.«
    Krinzinger
wirkte erleichtert und bekümmert zugleich. Erleichtert, dass alles so gut vorübergegangen
war, und man ihm keinen Schnitzer vorwerfen konnte. Bekümmert, dass sich das aufregende
Zentrum des Geschehens wieder fortbewegte. Er hatte sehr wohl bemerkt, dass der
Chefinspektor ihn nicht zum Mitkommen ins ›Kaiserpark‹ aufforderte. Aber die Erleichterung
überwog. Sollten sich doch die anderen mit ihren Fragen unbeliebt machen. Er musste
hier zurückbleiben und weiter seine Runden durch den Ort drehen. Auch dann noch,
wenn den Gleinegg schon längst die Maden aufgefressen hatten.
    Pestallozzi
und Leo traten wieder zur Tür hinaus. Hinter den Platanen schimmerte der See, ein
Segelschiff glitt über seine silbrige Fläche und ließ die Wellen hinter seinem Heck
tanzen. Sonst war es still und keine Menschenseele ließ sich blicken. Plötzlich
hob Pestallozzi den Kopf und sah zu den Fenstern im ersten Stock hinauf. Er zögerte
kurz, dann ging er noch einmal ins Büro zurück, Gmoser

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