Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
Händlern der Menschen am Pass nach Nelbor zu verkaufen. Dort hatte er auch sein Auge verloren, und seit dem Tag war sein Hass auf die Menschen jeden Tag weiter gewachsen. Vielleicht hatte er ihn auch ausgeweitet auf alle, die sich nicht direkt zu ihm bekannt hatten. Diese Vorstellung behagte Mogda am wenigsten.
Bevor Mogda seinen Fuß auf die Pier setzen konnte, hielt ihm jemand die Spitze eines Speeres vor die Nase. Bereit zuzustoßen, kreiste das Ende der Waffe ungeduldig vor seinem Gesicht.
»Ich bin Mogda«, sagte der Oger zögernd und hoffte, dass man ihn erkannte. Die dunkle massige Gestalt auf dem hölzernen Bohlenweg antwortete nicht und ließ auch genauso wenig die Waffe sinken.
»Wir sind Freunde und müssen mit Hagmu sprechen«, sagte er halb fordernd.
»Du nicht Freund von Hagmu«, dröhnte die Antwort aus dem Dunkeln. In der Stimme, so tief und grollend sie auch war, lag etwas Sanftes, etwas Ungewohntes. »Freund nicht schleichen wie Meuchler. Freunde nicht kehren Rücken und gehen Berge.«
»Bralba?«, fragte Mogda verwirrt. »Du kannst nicht Bralba sein.«
»Wohl«, dröhnte die Ogerin ihm entgegen.
»Was machst du hier, du solltest im Drachenhorst sein?«
»Nicht gebären Kinder, so werden Krieger«, antwortete sie.
Mogda kannte die Ogerin. Er hatte sie vor Jahren mit Kruzmak gesehen. Sie war groß und stämmig, ausgesprochen kräftig, und sie hatte schon viele Kinder zur Welt gebracht. Sicherlich war sie wie alle Ogerinnen eine gute Jägerin, aber dass Hagmu, ein Kriegsoger, sie mit auf einen Feldzug nahm, war ihm unverständlich, ja, er fand es fast absurd.
»Ich bin auch ein Krieger und kein Fisch, deshalb würde ich es begrüßen, wenn wir endlich aus dem Wasser herauskommen könnten«, schnaubte Mogda.
Bralba richtete den Speer zur Seite und hielt Mogda die Hand hin. Niemals zuvor hatte Cindiel gesehen, dass ein Oger einem anderen eine Geste der Freundlichkeit entgegenbrachte. Sie begrüßten einander herzlich, wenn sie sich nach längerer Zeit wiedersahen. Auch halfen sie einander bei schwierigen Aufgaben oder packten zu, wenn jemand drohte, in den Bergen abzustürzen. Aber einem anderen die Hand zu reichen nur aus Freundlichkeit, obwohl der keine Hilfe benötigte, das war neu für sie. Einem nach dem anderen half Bralba auf den Steg, selbst Cindiel und Hagrim hielt sie zwei ihrer kräftigen langen Finger hin. Hagrims Wollmantel hatte sich so voll Wasser gesogen, dass das Gewicht drohte, die Nähte an den Ärmeln reißen zu lassen. Schlotternd streifte er mit beiden Händen über den groben Stoff, um das Wasser aus den Fäden zu pressen. Die Lache um ihn herum wurde größer und größer. Die anderen drei hatten weniger mit der Nässe als mit der Kälte zu kämpfen.
»Wir gemacht Feuer. Ihr wärmen dort, dann Hagmu sprechen«, erklärte Bralba.
»Wir haben das Feuer schon gesehen«, erwiderte Mogda. »Einiges davon flog hoch durch die Luft und schien nicht gerade zum Händewärmen gedacht, eher zum Priestergrillen.«
Cindiel hatte nie zuvor eine Ogerin gesehen, jedenfalls nicht aus der Nähe. Sie waren nur unwesentlich kleiner als die Männer ihres Volkes, und auch vom Gewicht her standen sie ihnen in nichts nach, nur waren die Proportionen anders verteilt - fraulicher eben. Bralbas Haut war weich und leicht gebräunt, und nirgends konnte Cindiel eine Narbe erkennen. Die lederartige Haut der Krieger war von Narben übersät, und sie trugen diese mit stolz.
Am meisten imponierten der Hexe aber die Haare von Bralba. Wie sie selbst hatte die Ogerin dunkles, fast schwarzes Haar. Doch im Gegensatz zu dem der Hexe hatte es niemand gewagt, die Mähne der Ogerfrau mit einem alten rostigen Küchenmesser abzuschneiden. Gebunden zu drei langen Zöpfen, die so dick waren wie Cindiels Arm, reichten sie fast bis zu Bralbas Hüften. Der erste Zopf entsprang mittig auf ihrem Schädel, und die anderen beiden rafften das Haar um die Seiten zusammen. Einige Lederbänder hielten die Bündel aus Haaren zusammen, und Cindiel hätte schwören können, dass die Zöpfe stark genug gewesen wären, um damit ein Schiff an der Pier zu vertäuen.
Auch ihre Kleidung unterschied sich von der der Krieger. Großzügige Tücher in Erdtönen, geschickt verknotet, ließen nur wenig freie Haut sehen. Dazu trug Bralba eine Hose aus festem Leinenstoff und Sandalen, die mit Lederriemen hoch bis zu den Knien verschnürt waren.
»Sie sieht so gütig und freundlich aus«, flüsterte Cindiel Mogda zu, als sie über die
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