Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
des Waldes herzufallen und der Fehde ein Ende zu setzen. In den Tagen vor dem Angriff begann es, so heftig zu regnen, dass das Erdreich die Wassermassen nicht mehr schlucken konnte und die Tunnel der Zwerge einer nach dem anderen überflutet wurde. Die Zwergenkrieger konnten sich zwar vor dem Ertrinken retten, doch als der Regen endete und die Tunnel wieder passierbar waren, hatten die Elfen das Land bereits verlassen.
Die Geschichte von König Braktobil und Königin Lilsantis von den Elfen war nichts, was in Liedern und Geschichten erzählt wurde. Erst jetzt, Jahrzehnte später, wo das Zwergenreich zerstört und die Elfen wieder auf dem Grund der Meere ruhten, flüsterte man von ihren Schicksalen.
Der Waldrand kam näher und somit auch die Möglichkeit, ihren Häschern eine falsche Fährte zu legen oder sie wenigstens etwas aufzuhalten. Cindiel war sicher, dass Gnunt und Tastmar sich damit auskannten, ihren Verfolgern zu entkommen. Nicht umsonst hatte Mogda ihr die beiden zur Seite gestellt.
Hohe Tannen und Kiefern reihten sich neben noch größeren Eichen und Buchen ein. Obwohl schon der erste Schnee gefallen war, hatten die Bäume noch keine Zeit gehabt, sich auf den Herbst einzustellen. Die immer noch grünen Blätter klammerten sich an die zarten Äste und versuchten, ihren natürlichen Gang fortzusetzen und dem verkehrten Verlauf der Jahreszeit zu trotzen. Doch was half es, wenn die Wurzeln kein Wasser mehr in die Triebe leiteten? Mit der Farbe des Sommers, aber ausgetrocknet und in sich zusammengezogen, hingen die Blätter von den Ästen und sanken einer nach dem anderen zu Boden, um dort in den Kreislauf zurückzugelangen.
Gnunt und Tastmar waren bereits zwischen den Bäumen verschwunden. Cindiel sah Finnegan an, dass er es ebenfalls gern gesehen hätte, wenn sie bereits zwischen den mächtigen Stämmen und dichten Baumkronen verschwunden wären. Doch der junge Soldat hielt sich mit seiner Unruhe zurück und versuchte noch nicht einmal, sie anzutreiben. Geduldig hielt er seinen Trupp zurück, um sich dem Tempo ihres Pferdes anzupassen.
Die Erleichterung war bei allen zu spüren, als sie in das Grün und Braun des Waldes eintauchten. Selbst die Pferde schnauften zufrieden, als ob sie verstanden hatten, was vor sich ging. Gnunt und Tastmar standen auf der anderen Seite einer schmalen Furt, die sich über die Jahre tief in den Waldboden gefressen hatte. Der Hang war zu steil und zu sehr mit freiliegenden Wurzeln und Steinen durchsetzt, um reitend auf die andere Seite zu kommen.
»Ein genialer Streich«, sagte Hagrim, als sie vom Pferderücken absaßen. »Ein Dutzend Männer ist uns auf den Fersen, weil sie uns als Verräter an Prios hängen wollen, und was machen wir? Wir reiten in einen Wald mit lauter Bäumen und so kräftigen Ästen, dass man einen Oger daran aufknüpfen könnte. Um ihnen jetzt wirklich ein Schnippchen zu schlagen und den Tag zu versauen, sollten wir uns selber hängen. Vielleicht bringen wir sie damit um ihre Belohnung. Deren Gesichter würde ich gerne sehen.«
»Deren Gesichter wären nichts gegen deins«, erwiderte Finnegan und zog eine Grimasse, bei der er die Zunge zur Seite herausstreckte und mit einem Auge blinzelte.
»Bleib so«, entgegnete Hagrim. »An den Anblick könnte ich mich gewöhnen.«
Dieser Ausspruch brachte dem Geschichtenerzähler einen weiteren Hieb mit Cindiels Weidenrute ein. Hagrim unterließ es aber diesmal, sich zu beschweren, und sog stattdessen nur schmerzerfüllt Luft zwischen den Zähnen ein. Cindiel zeigte ihm nur ein kurzes Lächeln und wandte sich ab. Finnegan schien es derweil gar nicht so recht, dass die junge Frau für seinen Disput mit dem Geschichtenerzähler einstehen musste.
»Ich brauche keine Unterstützung von dir, um mit dem alten Mann fertig zu werden«, sagte er, was ihm ebenfalls einen Schlag mit dem Stock einbrachte.
»Und ich brauche keinen von euch, wenn ihr nicht eure kindischen Streitereien unterlasst«, ermahnte sie die beiden. »Wir müssen den Stein in Sicherheit bringen, das ist alles, was mich interessiert. Wenn ihr weiter wie zwei Kampfhähne aufeinander losgehen wollt, tragt das woanders aus, oder ich werde Gnunt bitten, die Sache für euch zu Ende zu bringen.«
Es war schwierig zu sagen, ob Gnunt verstanden hatte, was Cindiel den beiden Männern androhte, doch der Oger verzog das Gesicht zu einem breiten Grinsen und schlug sich mit seiner neu erworbenen Keule in die hohle Hand. Das Grinsen des hünenhaften Kriegers, bei
Weitere Kostenlose Bücher