Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
Schatten seiner selbst. Seitdem er die Runenklinge in den Händen gehalten hatte, wirkte er ständig benommen, sprach kaum ein Wort und starrte einfach nur vor sich hin. Trotzdem reagierte er, wenn man ihn ansprach, und erledigte leichte Arbeiten.
Im Norden erstreckte sich ein hohes Gebirge, wo nach Trumbadins Erzählung noch vor wenigen Jahren nach Erzen gegraben worden war. Jetzt war dieser Ort verloren, genau wie Bleichenstadt. Die Barbaren vertrieben die Zwerge ebenso von ihren Arbeitsstätten wie aus ihrer Heimat. Die Bleichen waren gezwungen, sich immer weiter zurückzuziehen. Sie konnten sich der Übermacht des ständig wachsenden Volkes nicht erwehren. Die Taktik der Berserker ging auf. Sie schnitten den Zwergen die Versorgungswege ab, zerstörten alles, was von Nutzen für das kleine Volk war, und splitteten sie auf. Anstatt zu versuchen die Festung der Bleichen zu stürmen oder die Minen zu besetzen, schickte Suul ihre Kinder aus. Götterfrost, wie sie selbst die Kreaturen nannte, bohrten sich durch die Erde auf der Suche nach Wärme. Die Bleichen selbst waren kalt wie Stein, doch ihre glühenden Essen zogen die bestialischen Würmer an. Dort, wo das Erdreich es zuließ, bohrten sich die nach Wärme gierenden Würmer hervor und verschlangen jeden, der sich ihnen entgegenstellte. Tag für Tag verloren die Bleichen mehr Männer, und irgendwann war König Arbalosch gezwungen gewesen zu handeln: Er versammelte sein Volk und wagte einen Ausbruch aus ihrem Gefängnis. Sie verließen Bleichenstadt und zogen zum Riss. Zwei Tage und zwei Nächte dauerte es, bis sie ihn erreicht hatten, König Arbalosch verlor in etlichen Gefechten die Hälfte seiner Untertanen. Ihre neue Heimat bot kaum genug Möglichkeiten, die Überlebenden zu ernähren oder nach Erzen zu graben, um neue Waffen zu schmieden, doch waren sie sicher vor den Götterfrost, denn der Spalt bestand aus massivem Gestein. Mit der Zeit lernten die Bleichen mit ihrer neuen Umgebung zurechtzukommen. Sie säten Pilze, Moose und Flechten, von denen sie sich ernährten, und gewannen Tauwasser aus den Felsen zum Trinken. Kein Stück Metall wurde verschwendet. Alles, was unbrauchbar geworden war, wurde wieder eingeschmolzen und zu etwas Neuem geformt. Ihr Dasein in den Tiefen des Spaltes war vom täglichen Kampf ums Überleben geprägt.
»Was ist mit Euch, warum begleitet Ihr mich?«, fragte Mogda.
»Das ist einfach«, antwortete Trumbadin. »König Arbalosch mag mich nicht besonders.«
Mogda runzelte die Stirn. »Er hat Euch befohlen, auf mich aufzupassen? Dann mag er Euch wirklich nicht.«
»Hat Euch Euer König auch auf diese Reise geschickt?«, fragte Trumbadin. »Vielleicht hatte er gehofft, Ihr erfriert hier oben im ewigen Eis.«
»Wir Oger haben keinen König«, brummte Mogda.
»Keinen König?«, wiederholte der Bleiche fassungslos. »Wer macht denn bei euch die Gesetze, bekommt all die Schätze, die ihr in Schlachten erbeutet, und verhandelt mit anderen Königreichen?«
Jetzt musste Mogda grinsen. Ein ganzes Volk hauste unter der Erde, von Feinden im Eis eingeschlossen, und ernährte sich von Pilzen, während es seit hunderten von Jahren keine Nachfahren zeugte. Dies schien alles gleichgültig, solange sie einen König besaßen.
»Alles, was wir in Schlachten erbeuten, sind Nahrungsmittel«, gestand Mogda. »Niemand verhandelt mit uns, deshalb brauchen wir auch keine Gesetze.«
»Keine Gesetze?«, fragte Trumbadin erneut nach. »Wer hat euch zum Beispiel gesagt: Esst keine Zwerge!«
Mogda beugte sich hinunter zu dem Zwergenmaester und schnüffelte an ihm. »Der gute Geschmack«, knurrte er.
Das schallende Signal eines Hornes beendete die Unterhaltung.
»Es geht los«, verkündete der Zwerg. »Die Berserker haben Witterung aufgenommen.«
Mogda drehte sich um und betrachtete die weiße Ebene unter sich. Zahlreiche kleine Gruppen zu fünfzig bis hundert Kriegern strömten sternförmig auf die Armee aus Zwergen und Ogern zu. Sie schienen aus dem Nichts aufzutauchen und von niemand außer ihrem Blutdurst geführt zu werden.
»Sie sind schlecht organisiert«, sagte Mogda. »Dem ersten Ansturm könnten wir standhalten.«
»Nein«, widersprach Trumbadin. »Für jeden, den wir töten, strömen zwei weitere nach. Es würde nicht lange dauern, und meine und deine Männer befänden sich in einem Kessel aus brüllenden und nach Blut dürstenden Berserkern. Außerdem sind wir ihnen zahlenmäßig drei zu eins unterlegen. Der Lebensfaden der Berserker
Weitere Kostenlose Bücher