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Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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Bild machen können, und auch jetzt, wo Mogda das Wesen sah, fiel es ihm nicht leichter, es zu erfassen. Vor der Schlammkuhle mit dem toten Wild hockte, stand oder lag, wie auch immer man es betrachten wollte, ein Käfer. Mogda kannte sie nur als kleine hektische Insekten, die über den Boden krabbelten und ein knirschendes Geräusch von sich gaben, wenn man auf sie trat. Da die Mehrheit der Oger ihren typisch perplexen Gesichtsausdruck nicht ablegen konnte und so zumeist mit offen stehendem Mund durch die Welt lief, hatte jeder von ihnen auch schon mal eines dieser Insekten unfreiwillig verspeist. Selbst Mogda war davon nicht verschont geblieben.
    Dieses Exemplar war jedenfalls weit davon entfernt, verschluckt zu werden. Mit sechs Fuß Höhe und zehn Fuß Länge war es mit Abstand der größte Käfer, den Mogda je gesehen hatte.
    Zum ersten Mal hatte der Oger die Gelegenheit, eines dieser Krabbeltiere im Detail zu betrachten, ohne dass es breit getreten unter seinem Fuß klebte. Im Prinzip bestand es aus zwei Körperregionen: dem Kopf und dem Hinterleib. Den Großteil des Tieres bedeckte ein dunkelbrauner Rückenpanzer, der metallisch schimmerte. An der Unterseite sowie zwischen Kopf und Hinterleib wuchsen borstenartige Haare. Die drei Beinpaare wirkten wie schwarze Knochen, besetzt mit messerscharfen Krallen und Widerhaken.
    Am auffälligsten war jedoch der Kopf des Hüters. Die wulstartigen Erhöhungen an der Oberseite erinnerten entfernt an vorstehende Augenbrauen. An der vorderen Spitze des Kopfes saß ein nach hinten gebogenes Horn, das über den Körper hinausragte. Genüsslich und als ob nichts passiert wäre, verspeiste der Käfer mit seinen beiden sichelgleichen Kieferzangen Gnunts eingelegte Delikatesse.
    Zwei der Barbaren lagen bereits mit in dem Schlammloch. Ihre Körper waren übersät mit Schnitt- und Stichwunden. Ein weiterer toter Krieger lag direkt zu Mogdas Füßen. Das Horn des Käfers hatte ihm ein Loch durch die Brust gestoßen. Mogda fragte sich, wo wohl der letzte ihrer Gegner geblieben war. Doch auch diese Frage klärte sich schnell. Unter dem schweren Körper des Hüters lugte ein Arm hervor, die Axt immer noch in der Hand haltend. Die ganze Raserei der Krieger, ihre schwere Bewaffnung und ihre vorzüglichen Kampfkünste hatten sich gegen diese gepanzerte Bestie als wirkungslos erwiesen.
    Mogda wagte sich gänzlich aus seinem Versteck. Behutsam schlich er zu dem Hüter hinüber. Doch der riesige Käfer nahm keine Notiz von ihm. Beharrlich zerkleinerte er das Stück Wild mit seinen Beißwerkzeugen. Das etwas zu groß geratene Insekt war Mogda unheimlich. Er kannte die kleinen, fleißigen Tierchen nur als lästiges Beiwerk der Natur. Sie schienen nicht gerade vor Intelligenz zu strotzen, wenn man sich nachts am Lagerfeuer besah, wie viele von ihnen - vom Licht angezogen - mit einem knackenden Geräusch in den Flammen verpufften. Mogda hoffte nur, dass die Größe bei ihnen gleichzusetzen war mit ihrem Denkvermögen und dieses Monsterexemplar vor ihm wenigstens zwischen Freund und Freund unterschied.
    Mit der Zeit schwand Mogdas Skepsis, und er klopfte vorsichtig gegen den Rückenpanzer des Hüters. Vom Aussehen her glichen die Flügeldecken poliertem Nussbaumholz, doch es war so hart wie Metall. Der ganze Käfer schien aus ein und demselben Material zu bestehen. Die Vorstellung, was dessen Gewicht zusammen mit den scharfkantigen Gliedmaßen im Kampf alles anzurichten vermochte, genügte Mogda, um weiterhin achtsam zu bleiben.
    Vorsichtig schlich Mogda um das weiterhin fressende Tier herum. Gnunt hatte ihm erzählt, dass der Hüter im Besitz des schwarzen Splitters sei. Nun stellte sich natürlich die Frage, wo Käfer ihre Ausrüstung verstauten. Die einzige Stelle, die schwer einsehbar war, lag zwischen Kopf und Hinterleib. In diesem Wald aus Borsten konnte man ohne Weiteres ein kleines Artefakt wie den Splitter verbergen, den man wie ein Schmuckstück an einer Kette tragen konnte. Mogdas Hand fuhr in den Zwischenraum und tastete nach einem Band oder solch einer Kette.
    Zum ersten Mal zeigte der Hüter Interesse an Mogda, wenn es auch nicht gerade die Art von Anteilnahme war, die sich der Oger erhofft hatte. Der Käfer fuhr herum und stieß Mogda unsanft beiseite. Aufgeregt wippten die zwei Fühler am Kopf in der Luft umher. Die Greifzangen am Mund schabten aufeinander und ließen ein fauchendes Geräusch erklingen. Dann stürmte der Käfer auf den Oger zu.
    Mogda hätte sein Schwert gezogen,

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