Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
bläulich, und aus seiner Stirn wuchsen zwei gekrümmte Hörner hervor wie die eines Widders.
Eine knollenartige Nase, dicke Augenbrauen und eine wulstige Unterlippe, aus der zwei braun verfärbte Hauer hervorragten, bestimmten den grimmigen Gesichtsausdruck des Riesen. Etliche Schrittlängen der Kette hatte er zusammengerafft und hielt sie vor sich. Unter dem Gewicht des ganzen Metalls gebeugt und mit eingeknickten Knien, trat er zwischen den Felsen hervor. Aufrecht stehend überragte er Rator bestimmt um fünf Fuß und wog ungefähr das Doppelte des Ogers. Der Riese hatte die Statur eines Kriegers, auch wenn seine besten Jahre sicherlich bereits vorüber waren. Achtlos ließ er die Kette durch seine Finger gleiten, die somit klirrend zu Boden fiel.
»Sie ist schwerer, als sie aussieht«, erklärte er mit einem dröhnenden Bass in der Stimme.
Rator richtete weiterhin seine Waffe auf den gigantischen Krieger. Angesichts der Größe des Riesen wirkte der Dolch allerdings wie ein Zahnstocher. Rator wollte jedoch zeigen, dass er keinerlei Angst vor der Größe seines Gegenübers hatte, was natürlich nur zum Teil stimmte.
»Mein Name ist Gerome«, brummte der fremde Hüne. »Ich bin ein Frostriese.«
Gerome streckte Rator die Hand entgegen. Der Kriegsoger zögerte einen Moment, doch dann ließ er den Dolch sinken und erwiderte den Gruß des Riesen. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte Rator sich klein und schwach. Seine Hand verschwand regelrecht in der Pranke des Frostriesen. Geromes Kleidung bestand überwiegend aus Fell und Leder sowie einigem Schmuck aus Knochen und Zähnen, die Rator nicht zuzuordnen wusste.
Rator hatte dieses Begrüßungsritual schon oft unter den Hüttenbauern beobachten können, doch dort dauerte es meist nur einen Bruchteil der Zeit, die der Riese beanspruchte. Aus irgendeinem Grund wollte Gerome Rators Hand nicht wieder loslassen.
»Ich habe dir meinen Namen genannt«, brummte er. »Gibt es einen Grund, dass du mir deinen nicht nennen willst? Du brauchst keine Angst zu haben, ich habe nicht über ein Jahr auf dich gewartet, um dich jetzt zu fressen.«
»Rator sein Oger«, platzte es aus Rator heraus.
Gerome lockerte seinen Griff und schien über die Worte Rators, mit denen er sich vorgestellt hatte, nachzudenken. Rator nutzte die Chance und zog seine Hand zurück.
»Gerome hier unten seit einem Jahr. Warum warten auf Rator?«, fragte der Kriegsoger verstört.
»Ich bin nicht erst seit einem Jahr hier unten. Vor zwanzig Jahren haben mich die Bleichen in Ketten gelegt, um als einer der Wächter zu dienen, der die Halle Nassfals behütet. Vor einem Jahr haben sie mir erzählt, dass der letzte der Wächter unterwegs sei, um die Ankunft Nassfals einzuläuten.«
Gelp hatte die Bleichen bereits erwähnt. Und Rator wusste, dass er davor auch schon einmal von den Bleichen gehört hatte, nur wollte ihm einfach nicht einfallen, was sie waren und wer ihm von ihnen erzählt hatte.
Auch über Nassfal wusste er etwas von Gelp. Der Junge hatte gesagt, dass die Bleichen auf seine Rückkehr warteten. Nassfal schien der Gott dieser Bleichen zu sein, so wie Suul die Göttin dieser Barbaren war. Rators Gedanken drehten sich in seinem Kopf. War es jetzt so, dass man den Göttern verschiedene Namen gegeben hatte, oder erklärten sich Könige einfach auch manchmal zu Göttern? Rator missfiel der Gedanke, dass sich die Götter selbst immer andere Namen gaben, also entschied er sich für die zweite Variante. Das würde auch erklären, warum die Bleichen extra einen Sklaven hier anketteten, um den Thron ihres Königs zu bewachen. Jetzt musste Rator nur noch einfallen, wie er dem Riesen erklären konnte, dass der Oger nicht der war, den der Riese erwartete.
»Rator nicht kommen für Wache von Thron von König Nassfal. Rator suchen Gott, Gott von Oger, Tabal.«
Der Riese drehte sich einfach um und kehrte Rator den Rücken zu. Unbeeindruckt von der Zurückweisung des Ogers stieg er mit wenigen Schritten empor zum obersten Plateau, wo der steinerne Thron stand. Er griff auf die Rückseite des Herrschersitzes und holte eine Waffe hervor, einen hölzernen Hammer, der seinesgleichen suchte. Der Kopf der Waffe hatte die Ausmaße eines Bierfasses. Rator riss sofort die Klinge seines Dolches in die Höhe und zielte in Richtung des Riesen.
»Tabal, sagst du«, brummte Gerome. »Es ist zwanzig Jahre her, da ich diesen Namen das letzte Mal gehört habe. Der Höhlentroll, der vor mir Wächter an diesem Ort war,
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