Blutiges Echo (German Edition)
sie sagte ziemlich laut: »Du bist mein armer Junge, stimmt’s? Fick mich, Baby. Fick mich, Baby.«
Armer Junge?
Darüber dachte er einen Moment lang nach, und die Worte purzelten in seinem Schädel umher wie Gerümpel, das die Dachbodentreppe herunterschepperte, aber es fühlte sich gerade so gut an, und die Nacht war so schön, und die wirklich schlimmen Geräusche, die sich hier und da verbargen und die klapperten und knallten und rummsten und bummsten, hatten ihn schon eine Weile in Ruhe gelassen, jedenfalls im Großen und Ganzen, und das Universum gehörte ihm (wenn er nicht gerade über Wurzeln stolperte), und er war längst nicht mehr der, der er gewesen war und wie er gewesen war, also war es egal.
Total egal.
Kapitel 35
Am nächsten Tag lag Harry in seiner Wohnung auf dem Sofa, hatte die Arme hinterm Kopf verschränkt und dachte über sein Date mit Talia nach. Wieder und wieder ließ er es Revue passieren, vor allem den Teil draußen auf dem Bumshügel. Als plötzlich das Telefon klingelte, stand er langsam vom Sofa auf, ging hinüber und schaute auf die Anrufernummer.
Es war Joey.
Dreimal klingelte es, dann schaltete sich der Anrufbeantworter ein.
Eine Pause entstand.
Es wurde keine Nachricht hinterlassen.
»Verdammt«, murmelte Harry. Er nahm den Hörer ab und wählte Joeys Nummer.
»Gerade hab ich bei dir angerufen«, sagte Joey.
»Ich weiß. Hab deine Nummer gesehen. War nicht rechtzeitig am Telefon.«
»Warst wohl gerade am Scheißen. So klein, wie deine Wohnung ist, braucht man doch keine zwei Sekunden, egal wo man hinwill.«
»Stimmt. Ich war auf dem Klo.«
»Dein Freund, mit dem wir da letztens im Restaurant waren – der kann mich nicht besonders leiden, Harry.«
»Hab ich mir schon gedacht.«
»Hat er dir die Geschichte erzählt?«
Harry log. »Nein.«
»Willst du sie hören?«
»Nein.«
»Er hat mich echt gekränkt, Alter. Er hat mich nicht wie einen Freund von dir behandelt.«
»Ich muss zugeben, Joey, manchmal ist bei dir von Freundschaft nicht viel zu spüren.«
»Komm schon, Mann. Erspar mir dieses schwule Gelaber. Der ganze Ärger hat wegen irgendeinem Mädel angefangen. So ein Mist soll doch nicht zwischen uns stehen. Aber das wollte ich dich sowieso fragen: Bist du jetzt wirklich mit ihr zusammen? Mit Talia?«
»Ja.«
»Kein Witz?«
»Hörst du mich lachen?«
»Fickt sie gut?«
»Ach, komm, Joey.«
»Gut oder nicht gut?«
»Dazu hab ich nichts zu sagen.«
»Wahrscheinlich stellst du dich ziemlich dämlich an. Daran liegt es wohl.«
»Joey?«
»Was denn?«
»Du kannst mich mal.«
Harry legte auf.
Kapitel 36
Eine Woche verging.
Und zwar wie im Flug, denn er sah Talia ständig. Von allen Seiten und in allen möglichen Stellungen. Abgesehen von einem Direktflug in den Himmel mit gratis Erdnüssen hätte er sich nichts Besseres vorstellen können.
»Du solltest Daddy kennenlernen«, sagte Talia eines Vormittags.
»Daddy?«, fragte Harry zurück und wusste nicht recht, was er davon halten sollte. War es mit ihnen so ernst, dass er Daddy treffen sollte? Oder fand Daddy, dass er jeden, der mit seinem kleinen Mädchen ausging, kennenlernen sollte?
Was war los?
Und Harry selbst, war es ihm ernst? Davon war er überzeugt. Er kam sich die ganze Zeit vor wie im Rausch, so ähnlich, wie wenn er trank, nur ohne den Kater.
Sie hatte ihn mit ihrem frühen Besuch überrascht, als er gerade ausschlief, und er war in Boxershorts an die Tür gegangen und hatte sie hereingelassen.
»Wann?«
»Heute.«
»Heute?«
»Jetzt.«
»Jetzt!«
»Harry, bist du ein Papagei?«
»Ein Papagei?«
»Hör auf damit. Er ist gerade auf dem Schießplatz.«
Er betrachtete sie, wie sie auf der Kante des Sofas saß, sodass nur eine winzige Stelle ihres hübschen Hinterns mit dem Möbel in Berührung kam. Sie schien sich hier nie richtig wohlzufühlen, aber was anderes hatte er eben nicht. Und er war nicht gerade heiß darauf, zu ihr nach Hause zu gehen. Er wusste zwar nicht, wie es dort aussah, aber er wusste, dass sie Geld hatten und er nicht.
»Dann sollte ich mich wohl hübsch machen.«
»Nein. Du siehst gut aus. Ich mag dich so, wie du bist.«
Aus Erfahrung wusste er, dass ihm die Haare vom Kopf standen wie ein Hahnenkamm, weil das nach dem Aufwachen immer so war. Außerdem hatte er einen Mehrtagebart und einen Atem, der Wachs zum Schmelzen gebracht hätte, und das alles stach neben ihrem blendenden Aussehen nur umso deutlicher hervor. Der morgendliche Anblick eines Mädchens
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