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Blutiges Echo (German Edition)

Blutiges Echo (German Edition)

Titel: Blutiges Echo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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erleuchtet wie die Pforten des Himmels. Es strahlte so hell, dass es auf den ersten Blick in Flammen zu stehen schien. Groß und massiv hob es sich von der Nacht ab, und draußen, auf einer breiten, gefliesten Terrasse am Pool, die von hübschen Laternen beleuchtet wurde, tanzten Menschen. Plötzlich wurde die Musik von einer Stimme zerteilt, und ein Sänger gurrte schmachtend in ein altmodisches Mikrofon. Seine Stimme klang kräftig und voll, und die Dunkelheit und die Lichter und die Menschen waren alle eins. Genau so konnte die Welt manchmal sein, hatte Tad ihm gesagt, wenn man sie aus dem richtigen Winkel betrachtete.
    Überall parkten Autos kreuz und quer wie leere Patronenhülsen, die aus großen Gewehren gefallen waren, aber die Limousine glitt an ihnen vorbei zur Hinterseite des Hauses, wo ein Carport mit Steinpfeilern stand. Sie parkten, und während der Chauffeur ihnen die Tür aufhielt, stieg Harry als Erster aus und bot Talia die Hand.
    »Ich hatte es mir größer vorgestellt«, sagte er.
    Talia schenkte ihm ein Grinsen.
    Durch die Hintertür betraten sie das Haus, wo ihm das Licht und die helle weiße Wandfarbe entgegenschlugen. Auf der einen Seite führte das Gebäude durch offene Fenster und Glastüren ins Freie, und die Musik scholl laut und freundlich herein und füllte den gigantischen kathedralenartigen Raum. Überall lachten und tanzten Menschen. Es gab eine lange Tafel mit Speisen aller Art: Sushi und Gegrilltes und kross gebratenen Truthahn, Schüsseln von diesem und Schüsseln von jenem, und alle möglichen Sorten Wein und Bier und Limonade und Mineralwasser, und man sah Lateinamerikaner und schwarze Frauen in hübschen weißen Uniformen, die mit Silbertabletts hierhin und dorthin liefen und dabei lächelten, als ob nichts in der Welt ihnen mehr Freude bereiten könnte, als die fröhlichen, gutmütigen, reichen Weißen zu bewirten.
    »Daddy«, rief Talia, und tatsächlich, Daddy kam gerade auf sie zu. Heute Abend wirkte er fröhlicher, wahrscheinlich war der Drink in seiner Hand der Grund dafür. Sein Anzug sah exakt aus wie der, den Harry trug, genau wie die Schuhe. Der einzige Unterschied war die Krawatte. Und vielleicht die Socken. Harry bat ihn besser nicht, das Bein auszustrecken, damit er nachsehen konnte.
    »Ah«, sagte Mr McGuire, »das ist bestimmt dein Freund. Barry …«
    »Harry«, sagte Talia.
    »Wie geht’s, Harry? Ich bin John.« Und er streckte die Hand aus.
    Harry schüttelte sie. Er begriff, dass Mr McGuire sich nicht daran erinnerte, dass sie sich bereits begegnet waren.
    »Gut, Sir. Danke, dass ich kommen durfte.«
    »Nichts zu danken. Der Vogel schmeckt gut. Alles andere auch, aber der Truthahn ist jede Sünde wert. Schwarze können ja vorzüglich kochen, und ich habe gleich drei oder vier davon in der Küche. Ich muss weiter. Gastgeber spielen und so, ihr wisst schon. Hat mich gefreut, dich kennenzulernen. Schicker Anzug.«
    »Danke.«
    John verschwand, und Talia ebenso. Harry stand mitten im Raum und wusste nicht, wohin mit den Händen. Um ihn herum tanzten Männer und Frauen in ihren feinen Kleidern, wie betrunkene Motten, die durchs helle Licht einer Laterne trudeln.
    Harry schlenderte zum Büfetttisch, der sich über die ganze Länge des Raumes erstreckte, und schaute, was es gab.
    Eine schwarze Frau in Dienstmädchenuniform erschien an seiner Seite. »Kann ich Ihnen helfen, Sir?«
    »Ich sehe mir erst mal alles an.«
    »Ja, Sir.«
    »Was empfehlen Sie mir denn?«
    »Es schmeckt alles gut.«
    »Kennen Sie den Koch?«
    »Ich bin die Köchin. Zusammen mit drei anderen.«
    »Das ist eine ordentliche Belegschaft.«
    »Wir vier, wir kochen und servieren. Alle Angestellten miteinander sind wir ungefähr zwanzig. So brauchen die Leute hier im Haus nicht einen Finger krumm machen. – Das sollte jetzt nicht …«
    »Oh, schon gut. Keine Sorge. Ich nehme was von dem Hühnchen und eine Cola light.«
    Das Dienstmädchen tat Harry einen Teller auf und gab ihm Besteck und eine Serviette. Harry sah sich nach Talia um, konnte sie aber nirgends entdecken; also ging er hinaus und schaute den Leuten beim Tanzen zu. Dann fand er einen Metalltisch und einen Stuhl, setzte sich und aß sein Hühnchen. Als er fertig war, wischte er sich die Finger an der Serviette ab und ging wieder hinein.
    Kaum war er in der Tür, griff eine Frau in einem blutroten Kleid nach seinem Ellbogen. »Ganz allein unterwegs?«, fragte sie.
    Sie sah sehr gut aus, war vielleicht um die vierzig, hatte zu rote Haare,

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