Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutiges Eis

Blutiges Eis

Titel: Blutiges Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
Vom Netzwerk:
Theroux seufzte tief und biss sich auf die Lippen.
    Delorme sprach leise. »Wieso haben Sie das bis jetzt niemandem erzählt?«
    »Zunächst einmal wegen des Treueschwurs. Und Bernard wollte, dass ich es niemandem erzähle. Er wollte die Geschichte so lassen, wie sie war.« Aus dem angrenzenden Zimmer war das wütende Gebrüll von Kindern zu hören. »Nicht so laut da drüben, Sasha! Andere Leute wollen sich unterhalten!«
    »Ist einer von Ihnen je auf den Gedanken gekommen, dass Grenelle vielleicht gelogen hat? Vielleicht ahnte er, dass seine Waffenbrüder schwankten – in seinen Augen Schwäche zeigten –, und um die Revolution zu retten, nahm er die Sache selbst in die Hand und tötete Duquette.«
    »O ja. Das ist jedem in den Sinn gekommen, ungeachtet seiner Tränen. Grenelle war immer der größte Hitzkopf. Derjenige, der mehr Aktionen wollte, größere Explosionen, mehr Schlagzeilen. Ich hab das sogar während des Prozesses bei Bernard angeschnitten. Zuerst wollte er nicht einmal an die Möglichkeit denken, und später, im Gefängnis, meinte er, dass es keine Rolle mehr spielte. Sie dürfen nicht vergessen, dass mein Mann nur wegen Kidnappings, nicht wegen Mordes verurteilt worden war.«
    »Da ist noch etwas anderes«, sagte Delorme. »Wenn Grenelle ein solcher Heißsporn war, so ein Revolutionär, wieso hat er es nicht an die große Glocke gehängt, dass er die Geisel getötet hat? Wieso gibt er sich damit zufrieden, es als Unfall hinzustellen? Schließlich ist es in seinen Augen eine Kriegshandlung, nicht wahr? Ist er nicht schließlich ein Held?«
    »Ja, sicher, er hat immer mit seinen Heldentaten geprahlt, den Bomben und alldem. Er hat immer gerne für alle gewalttätigen Aktionen der Zelle selber den Ruhm eingestrichen. Ich meine, er hat sie auch meistens dazu angestachelt, warum also auch nicht?«
    »Statt sich genauso mit der Ermordung Duquettes zu brüsten,bricht er in Tränen aus. Nach allem, was Sie sagen, passt das nicht zu ihm.«
    Mrs. Theroux zuckte die Achseln. »Vielleicht ist das eine normale Reaktion. Ich kann das nicht beurteilen, ich habe nie jemanden getötet.«
    Delorme ja. Eine Serienkillerin namens Edie Soames. Noch Wochen danach war sie den Tränen nahe gewesen und hatte unter Depressionen gelitten.
    »Dieses Taxi – ich glaube beinahe, Sie haben gar keins gerufen.«
    »Ich glaube, ich geh dann mal, der Regen lässt nach. Danke für den Kaffee.« Delorme zog ihren Mantel an. »Sie sagen, Ihr Mann wollte nicht darüber nachdenken, ob Grenelle Duquette vielleicht absichtlich umgebracht hatte. Haben Sie eine Ahnung, wieso? Ich könnte mir denken, dass es seiner Selbstachtung als Revolutionär gut getan hätte.«
    Mrs. Theroux war zusammen mit Delorme aufgestanden. Jetzt wandte sie sich ein wenig ab und zerknüllte ihre Schürze in den Händen. Sie sah aus dem Fenster, an dessen oberem Rand die Eiszapfen tropften.
    »Hat er nie mit Ihnen über andere Möglichkeiten gesprochen?«
    Mrs. Theroux schüttelte energisch den Kopf.
    »Hat er zum Beispiel – ich weiß nicht – hat er nie etwas über den Schauplatz erzählt? Das Schlafzimmer, als er und Lemoyne zurückkamen und Duquette tot vorfanden? Hat er nie erwähnt, wie es aussah? Ob es zu dem passte, was Grenelle ihnen über den Fluchtversuch erzählt hatte, das zerbrochene Fenster, den Kampf?«
    »Mein Mann war neunzehn, er war Zimmermann, kein Gerichtsmediziner.«
    »Sicher. Aber wenn man den Ernst der Situation berücksichtigt, was es für ihr persönliches Leben bedeutete – oder für die politische Situation –, müssen sie doch darauf gebrannt haben,ganz sicher zu wissen, was stimmte und was nicht. Schließlich sind Ihr Mann und Lemoyne für zwölf Jahre ins Gefängnis gegangen. Wenn Grenelle nicht gewesen wäre, wäre es vermutlich bei Kuba und ein paar Jährchen danach geblieben. Was ich daher wissen möchte, ist, ob es am Tatort irgendetwas gegeben hat, das Ihren Mann vielleicht misstrauisch gemacht hat, das Grenelle in einem anderen Licht erscheinen ließ?«
    »Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen.«
    »Ich glaube, das wissen Sie sehr gut. Ich glaube, das lässt Sie seit dreißig Jahren nicht los.«
    »Sie gehen jetzt besser. Bernard hatte recht, wir haben nichts zu gewinnen, wenn wir mit Cops reden, aber alles zu verlieren.«
    »Wieso hat Miles Shackley hier angerufen, Mrs. Theroux? Weniger als einen Monat bevor er ermordet wurde.«
    »Ich sagte Ihnen bereits: Ich kenne keinen Miles Shackley. Aber irgendjemand hat

Weitere Kostenlose Bücher