Blutiges Gold
all den Professionellen und den Teilzeitnutten, die in den Wohnmobilen ihre Geschäfte abwickelten, und dem unablässigen Getröpfel der Freier, die aus dem Club kamen und sich für einschlägige Parkplatzaktivitäten interessierten, waren es einfach zu viele Zeugen für einen bewaffneten Raub.
Außer der Gangster war so dämlich wie Socks. Aber der Anruf war nicht von Socks gekommen. Er kam von Cherelle Faulkner.
Als Shane schließlich neben dem Bronco parkte, fragte er sich dennoch, ob Socks wohl mit Cherelle mitgekommen war. Doch er verwarf den Gedanken gleich wieder. Soviel Risa von Socks über Cherelle gehört hatte, hatten sie nicht gerade das, was man eine enge Beziehung nennen würde.
Als Shane mit einem kleinen Koffer aus dem Wagen stieg, öffnete sich gleichzeitig die Wagentür des Bronco und eine Frau stieg aus.
Es war nicht Cherelle Faulkner.
56
Las Vegas
5. November
Sieben Uhr morgens
Cherelle saß mitten auf dem ungemachten Bett, kaute auf der Innenseite ihrer Wangen herum und starrte auf den Fernseher. Sie hatte bereits mehrere Male die Nachrichten und Werbeblocks für Pfefferminzpastillen, Potenzmittel und Glücksspiele gesehen. In den Nachrichten kam immer nur derselbe Film von Socks, der durchs Golden Fleece jagte, mit der Bemerkung, dass die Polizei ihn als Cesar Firenze Marquez identifiziert hatte, den Neffen von John Firenze, Geschäftsführer und Teilhaber des Roman Circus, der bei der Suche nach seinem Neffen mit der Polizei zusammenarbeitete. In den Nachrichten kam nichts über die Festnahme von Socks.
»Hm, Scheiße«, murrte Cherelle.
Sie strich sich mit den Fingern durchs Haar und achtete nicht auf das leichte Zittern ihrer Hände. Sie wollte jetzt gerne etwas Koks.
Unbedingt.
Das Problem war, dass sie kein Geld für Koks hatte, wenn sie nicht noch mal an den Automaten den Jackpot gewann oder einen Mann aufriss, an den sie ihren Arsch verkaufen konnte – oder wenn Socks endlich gefasst würde, sodass sie das Gold verkaufen konnte, ohne ständig über die Schulter sehen zu müssen und irgendwann auf die Schnauze zu fallen.
»Wie viele Bullen die wohl brauchen, um ein blödes Arschloch zu finden?«, murmelte sie vor sich hin.
Im Fernsehen wurden jetzt die Juroren des Nikolaus-Bikini-Wettbewerbs gezeigt. Alle hatten sie wallendes Haar und Titten wie Raketen, wahrscheinlich, um herauszufinden, ob ein Mann unter seinem dicken Bauch irgendein brauchbares Arbeitsgerät hatte.
»Ihr blöden Zicken! Ich will die Nachrichten sehen!«
Irgendjemand im Nebenzimmer schlug laut gegen die Wand und schrie, sie solle verdammt noch mal still sein.
Cherelle sprang wie eine Tigerin aus dem Bett und wollte die Lampe an die Wand werfen. Was sie daran hinderte, war nur die Tatsache, dass die Lampe am Nachttisch festgeschraubt war. Fluchend riss sie daran, bis ihre Fingernägel bluteten. Dann sah sie plötzlich ihr Bild im Spiegel des Schminktischs. Zuerst erkannte sie die Frau mit dem blassen, schweißüberströmten Gesicht und den zerzausten Haaren, die in alle Himmelsrichtungen von ihrem Kopf wegstanden, gar nicht. Dann erkannte sie sich doch.
Mein Gott, ich sehe aus wie eine total fertige Cracksüchtige. Das bin ich nicht! Sie hörte auf, an der Lampe zu reißen. Sorgfältig bürstete sie ihre Haare glatt und bemühte sich, ihren Atem zu beruhigen.
»Es ist alles in Ordnung, Kükenmutter. Du machst das schon. Du hast es bisher immer hingekriegt. Geh unter die Dusche. Hol dir Kaffee und was zu essen. Vielleicht ein Bier oder zwei. Wenn sie den Idioten bis jetzt nicht gekriegt haben, ist er nicht mehr in der Stadt, und dann brauchst du auch keine Angst vor ihm zu haben.«
Niemand reagierte auf ihre Worte außer einem ernsten Mann mittleren Alters auf dem Bildschirm, der ihr erklärte, dass ihre sexuellen Probleme jetzt ein Ende haben würden. Keine rezeptpflichtigen Medikamente. Keine Chemiebomben, nur Mutter Naturs eigene …
Die Dusche spülte alle Wünsche von Cherelle weg, außer dem einen nagenden Wunsch, das Gold endlich zu verkaufen und an ein bisschen Crack zu kommen.
Nicht viel. Nur ein bisschen. Für die Nerven.
57
Las Vegas
5. November
Sieben Uhr morgens
Mit leeren Händen lehnte sich Shane gegen sein Auto. Sobald er gesehen hatte, dass die Frau nicht Cherelle war, hatte er den Koffer voll Geld in den Kofferraum gestellt und abgeschlossen. Er hätte sich umgedreht und wäre weggefahren, aber je näher er zu dem Bronco kam, desto mehr wurden seine Instinkte an das erinnert, was er
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