Blutiges Gold
in Virgils Haus empfunden hatte.
Nur stärker.
Fast so stark wie beim ersten Berühren der Artefakte von Smith-White, als er die Zeit wie Rauch in starkem Wind davonfließen gefühlt und er in einem Eichenwald gestanden hatte, mit dem Mond im Gesicht und einem Messer aus massivem Gold in den Händen.
»Kein Gold, bevor ich nicht das Geld gesehen habe«, sagte die Frau vielleicht zum sechsten Mal.
Sie war zwar wie eine Nutte gekleidet mit einem schwarzen Minirock und einer halb aufgeknöpften durchsichtigen Bluse, aber Shane wusste, dass sie keine richtige Prostituierte war. Er hätte nicht sagen können, was ihn so sicher machte, aber er war es. Die Klamotten passten, aber der ganze Rest nicht.
»Sie können mir erzählen, was Sie wollen«, sagte Shane. »Sie sind nicht Cherelle. Ihr Bronco hat ein Kennzeichen aus Nevada. Das sind schon zwei Argumente gegen Sie. Bevor ich das Gold nicht gesehen habe, kriegen Sie das Geld nicht zu Gesicht.« Er blickte auf die Uhr. »In fünfzig Sekunden bin ich weg.«
»Es gibt noch andere Interessenten …«
»Fünfundvierzig«, unterbrach er sie ruhig. Er hatte das von ihr alles schon einmal gehört. Es hatte ihn schon beim ersten Mal nicht beeindruckt. Beim fünften Mal war es erst recht langweilig.
Die Schutzweste zwickte an unangenehmen Stellen.
Die Frau sah ihm in seine dunkelgrünen Augen und entdeckte, was viele andere dort schon entdeckt hatten – Shane Tannahill willigte nicht in etwas ein, was er nicht wollte. Sie konnte die Karten aufnehmen, die er ausgeteilt hatte, oder war aus dem Spiel.
Mit einem gezischten Fluch drehte sie sich auf ihren zehn Zentimeter hohen Plateausohlen um und wackelte auf ihrem Weg zum Heck des Bronco heftig mit den Hüften. Sie riss die Hecktür auf, griff hinein und zog den Reißverschluss eines kleinen Koffers auf.
»Okay, du großer Held«, sagte sie. »Schaff deinen Arsch her und guck’s dir an.«
Shane ließ sich seine Erleichterung nicht anmerken, als er sich langsam aufrichtete und in seine Tasche griff, um die Latexhandschuhe überzuziehen.
Es hatte ihn überrascht, dass die Frau ihm so hartnäckig den Blick auf das Gold verweigerte; er hatte sich schon gefragt, ob das Ganze vielleicht nur eine Art Betrug sein sollte. Wenn nicht das Prickeln seiner Nerven ihn an das Gold des toten Alten erinnert hätte, wäre er schon lange von diesem Parkplatz verschwunden.
Er fragte sich, ob die Polizei die Leiche Virgils bereits gefunden hatte. Falls ja, war jedenfalls nichts davon in den Nachrichten von Las Vegas aufgetaucht. Allerdings gab es auch keinen Grund dafür. Jeden Tag starben alte Leute. Einige von ihnen wurden ermordet. Wahrscheinlich war nicht genug von dem Leichnam übrig geblieben, um festzustellen, ob Virgil eines natürlichen Todes gestorben war oder ob dabei jemand nachgeholfen hatte.
»Kommst du jetzt?«, fragte sie.
Lässig zog Shane an den Handschuhen, bis sie richtig saßen, ging die paar Schritte zum Heck des Bronco und warf einen Blick in den offenen Gepäckraum.
Gold glänzte auf rotem Samt, als wäre es von innen erleuchtet.
Die Frau kam näher heran.
Shane trat einen Schritt zurück. »Lassen Sie mir etwas Platz. Oder denken Sie, ich würde mir das Ganze schnappen und damit losrennen?«
Die Frau zögerte, bevor sie ein paar Schritte zurücktrat. Sie ließ ihren Blick unruhig über den Parkplatz schweifen, bevor sie wieder zu ihm hinschaute.
Er veränderte ein wenig seine Position, sodass er sowohl sie als auch das Gold im Blick hatte. Er war leicht anzugreifen, solange er das Gold betrachtete, aber die größte Gefahr bestand in dem Augenblick, wenn sie das Geld sah. Wenn irgendwelche Komplizen auf dem Parkplatz standen, dann war das der richtige Moment, in dem sie zuschlagen würden.
Obwohl alles in Shane danach verlangte, die goldenen Artefakte wie einen seltenen exquisiten Wein zu genießen, nahm er jedes der Stücke nur kurz in die Hand. Der Torques war großartig, schwer, schimmernd vor Energie. Dann zwei Broschen, genauso außergewöhnlich wie die, die er von Smith-White gekauft hatte. Jede von großer Kraft und Ausstrahlung. Die Figuren waren offensichtlich Teil eines Fruchtbarkeitsrituals. Ein goldener Phallus und ein beeindruckend potenter Stier.
Und ein Ring, der dem glich, den er selbst trug.
Er wusste, dass er an Risas Hand passen würde. Perfekt. Es fiel ihm schwer, den Ring wieder niederzulegen.
Mit kribbligen Fingern zog Shane den Reißverschluss des Koffers zu und trat zurück. »Wo
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