Blutiges Gold
sich vor und ergriff den dicken goldenen Halsring, den Virgil Cherelle gegeben hatte, warf ihn grob in die Holzkiste hinein und knallte den Deckel zu. »Komm schon. Wir müssen hier abhauen, be vor es hell genug ist, dass wir gesehen werden können.«
»Was …?« Sie sah auf, schüttelte heftig den Kopf und blickte um sich. »Wo ist Virgil?«
»Was glaubst du, wo er ist! Du hast ihn schließlich hart genug geschlagen, um ihn den halben Weg hinunterzuhauen.« Tim zog sie in die Höhe. »Warum hast du das gemacht?«
Sie schüttelte wieder ihren Kopf, das alles ergab keinen Sinn für sie. »Was gemacht?«
»Ihn umgebracht.«
»Das hab ich nicht!«
»Was redest du da? Ich hab’s doch gesehen! Er hat dir diesen goldenen Brocken in die Hand gelegt, und du hast ihn dafür über den Haufen gehauen.«
»Goldener Brocken? Was zum Teufel redest du da?«
Ungeduldig riss Tim den dicken goldenen Ring aus der Kiste. Das Licht der Morgendämmerung ließ das goldene metallene Flechtwerk erglühen. »Das hier!«, sagte er und hielt ihr das Gold unter die Nase.
Mühsam konzentrierte sich Cherelle auf den Halsring vor ihr. Ihre Augen weiteten sich. Sie hatte Fotos von Schmuckstücken wie diesem in Virgils alten Büchern gesehen. Es war so ein Zeug, das in Museen aufbewahrt wurde, was bedeutete, dass es wertvoll sein musste.
Vielleicht sogar sehr wertvoll.
Tim ließ den Ring wieder in die Holzkiste fallen, nahm sie auf und gab Cherelle damit einen Schubs.
»Los, wir müssen hier weg.«
Beide eilten sie den steilen engen Pfad hinab. Die ersten Strahlen der Morgensonne schoben die Schatten um sie herum beiseite. Cherelle fühlte sich trotz des Sonnenaufgangs nicht viel wohler. Die tiefen Schattenflächen zwischen den breiten hellen Lichtbündeln wollten nicht weichen. Sie waren schwärzer als der Grund eines Brunnens.
»Bist du sicher, was Virgil betrifft?«, fragte sie.
Tim schob sie statt einer Antwort vom Pfad weg durch einen Busch, setzte die Kiste ab und schaltete die kleine Taschenlampe des Alten ein. »Was glaubst du?«
Sie erblickte Virgil in einem dunklen Schatten, nur von dem schmalen Lichtstrahl erfasst. Er lag mit weit geöffneten Augen auf dem Rücken und starrte in die Morgendämmerung, die er nie sehen würde. Dichtes Gebüsch umgab den Körper.
»Ich glaube, er ist tot«, sagte Cherelle und drängte zurück zu dem kleinen Pfad.
Auf die eine oder andere Weise hatte Tim schon genug plötzliche Todesfälle mitbekommen, dass er genau wusste, wie so etwas aussah. »Oh, ja. Töter geht’s nicht.«
Sie stieß heftig die Luft aus und zwang sich nachzudenken. Sie hatte Virgil tatsächlich umgebracht. Scheiß e !
Aber er war nicht der Erste. Damals war sie davongekommen. Die Polizei hatte geglaubt, der Junkie hätte sich den goldenen Schuss gesetzt. Und bei Virgil würde sie auch davonkommen. Übrigens hatte sie es nicht gewollt, nicht damals und nicht jetzt. Es war einfach passiert.
Bis irgendwer über Virgils Leiche stolperte, würde nicht mehr viel davon übrig sein. In den Bergen hier gab es jede Menge Kojoten, die überall herumstrichen, um Nahrung zu finden.
Oh, ja. Töter geht’s nicht.
» Was ist noch in der Holzkiste?«, fragte Cherelle.
»Nichts. Los, wir müssen hier fort.«
»Aber es muss noch etwas anderes geben. Ich weiß es.«
»Polizei gibt’s, so viel ist klar. Wenn du mit der Leiche gefunden werden willst, dann bleib nur hier. Ich mach mich jetzt jedenfalls auf die Socken.«
»Warte. Da ist noch irgendwo Gold. Verdammt, noch mehr Gol d !«
Tim wollte ihr sagen, dass sie wohl vollkommen den Verstand verloren hatte, als er den seltsamen Ausdruck um ihre Augen und den Mund sah und es bleiben ließ. Sie würde ihm jetzt sowieso nicht zuhören. Auch gut. Sie konnte ihn mal.
Tim eilte den Weg hinab, ohne sich noch einmal nach ihr umzudrehen.
»Kisten«, murmelte sie. »Virgil hat irgendwas über Kisten gesagt. Was war denn das gleich noch mal? Denk, verdammt noch mal, nac h !«
Nie hat einer sagen können, was in den Kisten unter meinem Bett ist.
Unter seinem Bett.
Cherelle lief los und eilte den Pfad hinab, überholte Tim und rannte so schnell weiter, dass er nur mühsam hinterherkam. Die Tür von Virgils Hütte war nicht abgeschlossen. Soweit sie wusste, war sie nie verschlossen. Ein Mann, der mit einem alten Fahrrad in die Stadt fuhr und Kleider trug, die ein Lumpensammler verweigert hätte, hatte keinen Grund, seine Tür zu verriegeln.
Cherelle trat ein und wandte sich sofort in
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