Blutiges Gold
jemandem zum Essen traf, sollte ihn eigentlich nicht weiter beunruhigen. Immerhin hatte er sie ermutigt, sich als Gutachterin auch für Privatleute zu betätigen. Auf die Weise bekam er mit, was auf dem Markt für antikes Gold los war.
Doch irgendetwas in ihrer Reaktion auf das Telefonat hatte seinen Instinkt geweckt und ließ ihn Gefahr wittern. Niall hätte von seinem sechsten Sinn gesprochen. Für Shane war es einfach eine Art von Eingebung.
Risa verheimlichte etwas.
Vor ihm.
»Nein, es war kein Kunde.« Entschlossen öffnete sie einen der sieben Auktionskataloge. »Haben Sie das Figürchen in Los 18B gesehen? Es ist wohl nur vergoldet und nicht massiv, aber es ist besonders schön geformt.«
Pflichtbewusst blickte Shane auf das Figürchen.
Doch in Gedanken beschäftigte er sich nur mit einem – dem Augenblick, in dem er sich die Aufnahmen ansehen würde, die von der Überwachungskamera stammten, die die Jazzbar hinter der Lobby des Golden Fleece im Focus hatte.
14
Las Vegas
2. November
Zwölf Uhr Mittag
»Du hast gesagt, du wartest, bis Cherelle …«
Socks schnitt Tim das Wort ab. »Gar nichts hab ich gesagt. Die ganze Zeit hast nur du geredet.«
Den Fuß auf das Gaspedal gepresst, ließ Socks den Wagen in die Kreuzung schießen, gerade als die Ampel auf Rot schaltete. Autos hupten von allen Seiten. Socks hielt den Arm aus dem Fenster und streckte seinen Mittelfinger in die Höhe.
»Fahr mal lieber nicht so über die rote Ampel, wenn wir Crack im Auto haben«, sagte Tim. »Ich habe keine Lust auf weitere Zeit im Knast.«
»Was denkst du, wer du bist? Meine Alte, oder was? Zicke! Diese verdammte Zicke! Kannst ohne deine Zicke nichts mehr machen! Übrigens, vom Crack ist kaum noch was übrig, den letzten Rest haben wir vor einer Stunde geraucht. Haste wohl schon vergessen?«
Die nächste Ampel zeigte schon Tiefrot, als sie an die Kreuzung heranfuhren. Socks überlegte einen Moment, einfach draufzuhalten und durchzufahren, nur um Tims hohes Gequieke zu hören. Aber da bog gerade ein Lastwagen mit Bier in die Kreuzung. Die Leute hier in der Gegend würden ihn lynchen, wenn es einen Crash gab und sie ihr Gebräu nicht kriegten.
Tim starrte aus dem Fenster und wünschte sich, er hätte noch ein bisschen Koks übrig. Die Gegend hier gehörte zu den übleren in Las Vegas, der Stadtteil zwischen Glitter Gulch und dem Strip, wo die Rinnsteine voller Dreck und Müll waren und Fenster und Türen mit Gitterstäben aus Eisen gesichert.
»Home, sweet home«, murmelte Tim bitter.
Socks war das egal. Im Gegenteil, er fühlte sich in diesen dreckigen Straßen ziemlich wohl. Hier wusste man genau, worauf es ankam: Füge es den anderen zu, bevor sie daran denken, es dir zuzufügen. Ganz in der Nähe war er aufgewachsen.
Tim ebenfalls, aber ihm gefiel es hier nicht annähernd so gut wie Socks. Die fünf Jahre Altersunterschied hatten eine Begegnung verhindert, bis Tim im Knast zu Socks in die Zelle gesteckt worden war. Bei Tim wegen Falschspielerei, außerdem hatte er eine Fünfzehnjährige gebumst. Socks saß für den Überfall auf einen Lebensmittelladen. Beide beklagten sich über das Pech, für etwas geschnappt worden zu sein, was jeder andere auch tat.
Auf der anderen Seite der Straße wurde eine Nutte auf das grelllila Auto aufmerksam. Sie trug einen knappen Minirock, extrem hohe Plateausandalen und eine Stretchbluse, die ihr bis zum Nabel ging und wohl einmal weiß gewesen war. Als sie die Straße überquerte, vollführte sie seltsam eckige Bewegungen mit ihren Hüften und lehnte sich dann ins Wagenfenster.
Socks warf einen prüfenden Blick auf ihren Busen und den Rest ihrer Figur und schaute wieder weg. Sie sah aus wie fünfzig und war wahrscheinlich fünfundzwanzig. Er konnte die Einstichlöcher an ihren schmutzigen Zehen sehen und den leeren Blick in ihren Augen. Die Leere und der Dreck störten ihn nicht, aber so nötig hatte er es nicht, um ein Mädchen zu bumsen, das so fertig war. Nicht, nachdem er so einer scharfen Nummer wie Cherelle zuschauen konnte, die sich ständig lüstern an Tim rieb. Socks sah vielleicht nicht so gut aus wie Tim, aber er war verdammt überzeugt davon, dass er mindestens so gut ausgestattet war. Das war schließlich eine der Hauptbeschäftigungen im Knast – genau vergleichen, wie man gegenüber den Mithäftlingen abschnitt, egal wobei.
Die Ampel wechselte auf Grün. Socks ignorierte die Frau, gab Gas und bog von der Durchgangsstraße ab. Nach ein paar Blocks riss er das
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