Blutiges Gold
gut, oder?«
Sie überging seinen Versuch, das Thema zu wechseln, und übersah auch das schreiend bunte Hawaiihemd, in dem er vor ein paar Minuten aufgetaucht war. »Wie viel?«
»Zweihundertfünfzig. Ist doch ein schönes Hemd. Du hast ja auch neue Klamotten«, fügte er hinzu und deutete auf ihre limonengrünen Seidenhosen und die passende Bluse dazu. »Warum dann ich nicht auch?«
»Ich habe dafür keinen Cent bezahlt!« Sie schloss die Augen und kämpfte gegen ihre Wut an, die sie in letzter Zeit immer häufiger überkam. Sie sollte wirklich weniger Crack rauchen, aber es gab ja nicht so viel in ihrem Leben, was sich gut anfühlte.
Vor allem war sie von Idioten umgeben.
Mit einem kehligen Geräusch schnappte sie nach Luft. »Nimm den Rest von deinem Geld und kauf den Armreif zurück.«
Tim schaute Socks an, der mit den Achseln zuckte und sagte: »Joey hat mir nur einen Gefallen getan. Er ist wahrscheinlich froh, wenn er wieder was von dem Geld zurückkriegt.« Vor allem, wenn Socks ein bisschen Druck machte. Er begann langsam, an dem Deal zu zweifeln. Vielleicht war es doch so, dass ihn Joey übers Ohr gehauen hatte. Nicht nur ein bisschen, wie immer. Sondern verdammt viel. »Ich mach das für dich. Joey mag keine Fremden in seinem Laden.«
Und Socks wollte nicht, dass Tim herausfand, wie viel er wirklich bekommen hatte für die vier Stücke Gold.
»Missgeburt«, flüsterte Cherelle und zischte, als sie die Luft ausatmete. »Die verdammte Missgeburt denkt wirklich, dass ihr ein Pfandleiher einen Gefallen tut. Mein Gott, befrei mich von solchen Vollidioten . Ich erzähl dir jetzt mal ein kleines Geheimnis, du Missgeburt. Diese vier goldenen Teile, die du für achthundert Dollar verkauft hast, sind mindestens eine Million wert.«
»O ja, klar, sicher sind sie das.« Socks lachte und erinnerte sich an einen Satz aus einer Talkshow. »Du bist ja ’ne wirklich ulkige Nudel. Hast du schon mal daran gedacht, eine eigene Show im Kabelfernsehen zu bekommen?«
Sie schüttelte nur den Kopf. Verzweiflung überkam sie und ersetzte die Wut. So viel Geld – weg …
Als die beiden Männer die Tränen sahen, die in ihren Augen schimmerten, erschraken sie. Keiner von beiden hatte Cherelle je weinen sehen. Nicht ein einziges Mal. Nicht mal, als ihr Auto stehen geblieben und sie von einem Typ mitgenommen worden war, der sie geschlagen und vergewaltigt und danach am Straßenrand rausgeworfen hatte.
Socks und Tim wechselten einen beunruhigten Blick.
Was, wenn sie nun recht hatte?
Was, wenn wir uns eine Million Dollar durch die Lappen haben gehen lassen?
Socks zog seine Hosen hoch, die besonders tief saßen wegen der Pistole, die er in den Hosenbund unter seinem nagelneuen Hawaiihemd gestopft hatte. »Ich denke, ich geh dann mal zu Joey.«
»Ich denke, ich geh mit«, sagte Tim.
»Du denkst. Ihr denkt .« Cherelle brach in wildes Gelächter aus. Dann liefen ihr wieder die Tränen herunter, ohne dass sie einen Laut von sich gab. »Tim.«
Er drehte sich noch einmal zu ihr um. »Was ist, Süße?«
»Komm nicht ohne den Armreif zurück. Auf keinen Fall!«
Sie sagte das mit einer Stimme, die keiner der Männer je von ihr gehört hatte. Emotionslos. Tödlich emotionslos.
Beide Männer seufzten vor Erleichterung, als sich die Tür des kleinen Hauses hinter ihnen schloss.
23
Las Vegas
3. November
Morgens
Inmitten der trübseligen oder verzweifelten Leute in einem der altmodischen, heruntergekommenen Casinos stand Slim John, starrte auf seinen Gehaltsscheck des Golden Fleece und wünschte sich, er könnte ihn dem Sicherheitschef mit der Drahtbürste in den Hintern stopfen.
»Was denken die, wer sie sind, Mutter Teresa vielleicht?«, fragte er Merry Clare, die als Blackjack-Croupier im Say Paris! arbeitete. » Feuern mich, nur weil ich einem leichten Mädchen geholfen habe! Und dann kommt doch tatsächlich das neueste Nagelbrett von Gottvater Tannahill reingeschneit und umarmt eine andere Nutte, und dann sind die beiden zusammen den ganzen Weg bis zum Mitarbeiterlift scharwenzelt.«
Merry zuckte gleichgültig die Achseln und rutschte auf ihrem Hocker herum, damit der durchgesessene Sitz nicht immer auf dieselbe Stelle ihres Popos drückte. Das Bier vor ihr sah genauso schal aus, wie sie sich fühlte. Falls irgendjemand dachte, als Croupier könnte man leicht sein Geld verdienen, würde sie gerne mit ihm tauschen. Die anderen Casinos ließen ihre weiblichen Croupiers in Hosen und flachen Schuhen arbeiten. Aber nicht im
Weitere Kostenlose Bücher