Blutiges Gold
nicht davonkommen würde. So war es schon gewesen, als er Socks zum ersten Mal bei einem bewaffneten Raubüberfall begleitet hatte, der ihnen eine Kiste Tequila einbrachte; was immer Socks machte, musste Tim auch tun. Das war der beste Weg, um sicherzustellen, dass dein Kumpel dich nicht bei den Bullen verpfiff.
Tim seufzte. »Wenn ich ihm aus dieser Nähe das Gehirn wegpuste, haben wir den ganzen Dreck auf unseren neuen Hemden.«
»Himmel. Keine Ahnung.«
Tim sah ziemlich dämlich drein.
»Leg ihn einfach um, okay?«, sagte Socks. »Mach’s einfach.«
Tim peilte über den Lauf. Ein Schuss mitten ins Herz, nicht in den Kopf. Viel sauberer. Er drückte den Abzug.
Joey zuckte einmal, gab einen seltsamen blubbernden Seufzer von sich und war still.
Socks prüfte mit einem ordentlichen Tritt, ob er sich noch rührte. Keine Reaktion. Bye-bye, Kumpel, das hast du davon, mich die ganzen Jahre übers Ohr zu hauen.
Immer noch lächelnd, drehte Socks sich zu Tim um und schoss mit Joeys Pistole auf ihn. Trotz des Schalldämpfers war die Wucht des Geschosses so groß, dass Tim weggeschleudert wurde und mit dem Gesicht voraus in einen großen metallenen Aktenschrank krachte. Er rutschte langsam daran hinab, griff nach oben, um sich festzuhalten, und brachte dadurch den ganzen Schrank ins Wanken, sodass er schließlich mit ihm umstürzte und auf ihn fiel. Mann und Schrank landeten hart auf dem Zementboden, was einen solchen Lärm machte, dass alles andere verschluckt wurde.
In der plötzlichen Stille, die darauf folgte, war das Heulen einer Sirene zu laut, zu deutlich. Und es kam näher.
Socks zuckte zusammen und fluchte. Irgendein neugieriger Bastard musste die Bullen gerufen haben. Oder Joey hatte doch eine Alarmanlage, von der er nichts gesagt hatte.
Er beugte sich über den Pfandleiher, ergriff schlaffe Finger und drückte sie um den Kolben der Pistole, mit der er auf Tim geschossen hatte. Als Socks losließ, fiel die Waffe aus Joeys Hand. Socks versuchte es erneut. Wieder passierte dasselbe.
Die Sirene heulte um die Ecke, so nah, dass er die Reifen des Wagens quietschen hören konnte.
Schwitzend versuchte Socks es ein letztes Mal mit der Inszenierung. Dieses Mal blieb die Pistole, wo sie sollte. Er stieß den Atem aus und blickte sich nach Tim um. Unter dem Schrank bewegte sich nichts, nur eine Blutspur schlängelte sich über den Boden.
Die Sirene brachte Socks fast zum Schreien.
Ohne auf das Blut an seinen Schuhen zu achten, drehte er sich um und rannte aus der Hintertür.
27
Las Vegas
3. November
Am späten Vormittag
Smith-White sah nicht so aus, wie es sein Name hätte erwarten lassen. Er war nicht groß, dünn und seriös, sondern klein, glatzköpfig und rund wie der Weihnachtsmann. In seinen Augen war jedoch nichts speziell Fröhliches zu lesen. Sie waren von einem undurchsichtigen Grau, das an alten Schnee erinnerte.
Risa wartete darauf, dass Smith-White endlich aufs Geschäft zu sprechen kam, und konnte ihre Ungeduld nur mit Mühe verbergen.
Shane, der die Vorlieben seines Gastes kannte, hatte türkischen Kaffee und dazu Kuchen und Konfekt bringen lassen. Aus der Tatsache, dass Smith-White sich immer noch die Lippen leckte und unter den diversen Fruchttörtchen und kandierten Früchten auswählte, schloss Risa, dass sie noch eine Weile würde warten müssen, ehe sie das Gold zu sehen bekam. Sie schloss daraus aber auch, dass Smith-White mit ihnen spielte, da er offenbar etwas wirklich Überragendes anzubieten hatte.
Das machte das Warten um keinen Deut leichter.
Weder Shane noch Risa warfen einen Blick auf den verschlossenen Aluminiumkoffer, den Smith-White auf den niedrigen Tisch neben das Kaffeeservice gestellt hatte.
Der Wächter ließ dagegen kein Auge von dem Koffer. Alles, was ohne vorherige gründliche Durchsuchung in die oberen Etagen des Golden Fleece gelassen wurde, machte ihn unruhig. »Köstlich«, brummte Smith-White glücklich und tupfte sich Puderzucker von der Oberlippe. »Ihre Konditoren sind einfach die besten außerhalb von Manhattan. Wahrscheinlich auch innerhalb.«
»Ich werde Ihr Kompliment mit Vergnügen weitergeben«, sagte Shane. »Noch etwas Kaffee?«
Risa hätte ihm für dieses Angebot am liebsten einen Tritt verpasst.
Smith-White zögerte, bemerkte, dass Shane die Verhandlung nicht eröffnen würde, und erteilte dem Besitzer des Golden Fleece im Geiste gute Noten für sein Pokerface. Sollte Shane irgendein anderes Interesse haben als eine nette Plauderei mit einem
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