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Blutiges Gold

Blutiges Gold

Titel: Blutiges Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lowell
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das die gewundenen Linien, mit denen das Gold verziert war, aufnahm. Offenkundig unbeschädigt.
    Sie hatte noch nie eine goldene Brosche wie diese gesehen. Aus Bronze, ja. Aus Silber ebenfalls. Aber nie aus Gold.
    Sie blickte auf ihren Chef. Nach Shanes Gesichtsausdruck hätte Smith-White genauso gut ein Thunfischsandwich in der Hand halten können, ohne Mayo.
    Risa hoffte, dass ihr Pokerface halb so gut wie Shanes war. Eisern widerstand sie dem Drang, Smith-White die Brosche aus der Hand zu reißen, um sie aus der Nähe betrachten zu können.
    »Darf ich?«, fragte Shane und streckte die Hand aus.
    »Natürlich. Möchten Sie Handschuhe anziehen?« Smith-White hielt ihm ein Paar hin. »XXL, wie Ihre Hände.«
    »Ich verzichte lieber darauf«, sagte Shane. »Deshalb sammle ich ja Gold. Hochkarätiges Gold läuft nicht an, wenn man es kurz in die Hand nimmt. Aber Sie kennen Ihr Gold besser. Wenn dieses hier den Kontakt mit bloßer Haut nicht verträgt …«
    Smith-White sagte weder, sein Gold sei womöglich von minderwertiger Qualität, noch machte er Anstalten, seine eigenen Handschuhe auszuziehen. Ohne ein Wort ließ er die extra Handschuhe auf den Tisch fallen.
    »Möchten Sie, dass ich die Brosche für Sie herausnehme?«, fragte Smith-White gleichmütig.
    »Bitte«, gab Shane zur Antwort.
    Auch Risa bemühte sich um Gleichmut, als sie ihre eigenen Latexhandschuhe anzog. Je weniger die Oberfläche des Goldes durch das Hantieren verschmutzt wurde, desto leichter würde es sein, im Labor Antworten auf einige Fragen zu finden. Und sie hatte das Gefühl, dass es eine Menge Fragen geben würde.
    Sie hoffte bloß, die Antworten darauf würden wunschgemäß ausfallen.
    Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete sie, wie Smith-White die Brosche ihrem Chef reichte. Sie sah auf Shane, nicht auf die Brosche. Auch wenn sie keinerlei Signal an ihm erkennen konnte, wusste sie doch, dass er das Stück kaufen würde.
    Shane blickte sie kurz an und erkannte, dass ihr bereits klar war, was er vorhatte. Er wusste nicht recht, ob er sich darüber ärgern sollte, dass sie ihn wie keiner sonst durchschaute, oder sich freuen, weil es Zeit sparte. Er konzentrierte sich wieder auf die Brosche, drehte sie mit einer geschickten Bewegung um und gab sie dann an Risa weiter.
    Als sie das Stück nahm, hatte Risa trotz der Handschuhe das Empfinden, als fühlte sie heißes Metall auf der Haut, nicht kaltes Gold. Ein seltsames Vibrieren zog von der Hand ihren Arm hinauf. Seit Wales hatte sie so etwas nicht mehr empfunden. Sie hatte etwas Derartiges auch nie mehr fühlen wollen.
    Sie zog eine Juwelierlupe aus ihrer Tasche und untersuchte die Brosche. Bei zehnfacher Vergrößerung wurde die Unversehrtheit der eingetriebenen Muster überdeutlich. Gekrümmte Formen, die zum Teil ganz abstrakt wirkten und zum Teil überraschend wirklichkeitsgetreu, wenn aus den Linien Köpfe von Vögeln wurden, die sich in einer langen Reihe immer kleiner werdender Vs zum Flug erhoben. Die Flächen, die sich innerhalb des sich wiederholenden zentralen Musters befanden, flammten blutrot auf durch eine Emaillierungstechnik, die im Laufe der Jahrhunderte nichts an Farbkraft oder Frische verloren hatte.
    »Ich brauche mehr Licht«, sagte sie nach einer Weile. »Und außerdem wird es meine Arbeit erleichtern, Mr Tannahill, wenn Sie in Zukunft Handschuhe tragen.«
    Nur Risa konnte den kurzen Moment des Erstaunens auf seinem Gesicht erkennen. Sie hatte nie zuvor auf etwas bestanden. Ohne ein Wort zu sagen, ergriff er die Handschuhe, die Smith-White ihm wieder hinhielt.
    »Darf ich?«, fragte sie Smith-White und zeigte auf ihren Arbeitsplatz.
    Mit einer Geste der Hand erteilte er ihr die Erlaubnis, die Brosche unter jedem gewünschten Licht zu untersuchen.
    Auf einem ihrer Arbeitstische hatte sie eine helle Vollspektrumlampe mit integrierter übergroßer Zehnfach-Lupe, die an einem schwenkbaren Arm befestigt war. Sie benutzte sie, wenn sie während der Untersuchung die Hände frei haben wollte, um Notizen oder Skizzen zu machen. Im Augenblick wollte sie aber das Binokular-Mikroskop mit zehn- bis dreißigfachem Zoom, das auf dem zweiten Tisch stand. Sie zog sich ihren Arbeitsstuhl auf Rollen heran, legte die Brosche in die richtige Position, stellte den Zoom ein … und fühlte die Jahrhunderte wie einen stummen Film über sich hinweggleiten. Es raubte ihr beinahe den Atem.
    Ein Künstler, der die Brosche in Händen hielt, sich ausmalte, wie er sie gestalten wollte, und die

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