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Blutiges Gold

Blutiges Gold

Titel: Blutiges Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lowell
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Symbole in das massive Gold schnitt. Jeder Strich ein Gebet zu den Göttern, die den Himmel und Blitz und Donner und die Sonnenglut regierten, das brennende Rad des Lebens, das sich drehte und wieder drehte, und Menschen so klein, so schwach, so müde …
    Risa atmete tief aus, verscheuchte die Bilder ihres Tagtraums und zwang sich, sich auf das Hier und Heute zu besinnen.
    Das Stück war handgearbeitet. Darin war sie sich sicher. Die Unregelmäßigkeiten unterstützten diesen Schluss. Sie verliehen der Brosche eine Wärme, wohingegen viele der modernen, industriell gefertigten Schmuckstücke kalt wirkten. Die Verzierungen waren klassisch keltisch und zeigten eine Reihe abstrakter gewundener Linien, die in wiederkehrendem Abstand zu einem dreigliedrigen Muster »erblühten«, das an Vogelköpfe denken ließ. Auf der kreisförmigen Brosche gab es drei solcher Blüten mit jeweils drei »Blättern«, wobei das zweite der drei Blätter kunstvoll aus rotem Email gestaltet war. Eine gezackte goldene Umrandung trennte das emaillierte von dem übrigen Gold, wodurch der Eindruck eines Rades oder eines Auges entstand. Der Vogelkopf auf beiden Seiten des Emailblatts wies in kleinerer Ausführung dasselbe kunstvolle dreigliedrige Muster auf, das direkt in das Gold eingraviert war.
    Die lange, spitz zulaufende Nadel der Brosche war auf gleiche Weise verziert. Irgendwie hatte es der Künstler fertiggebracht, das Muster so geschickt zu verändern, dass die Proportionen entlang des sich verjüngenden Endes ausgewogen erschienen bis ganz zur Spitze, die dünn genug war, um Stoff zu durchdringen. Die Komplexität und Kunstfertigkeit waren in höchstem Maße erstaunlich. Der mittelalterliche Künstler hatte dazu nur seine eigenen Augen und seine Gebete, während die Kuratorin der Neuzeit sich mit einem Mikroskop behelfen musste, um seine Arbeit schätzen zu können.
    Das Geräusch der zierlichen türkischen Kaffeetasse, die Shane gerade wieder auf ihrer ebenso zierlichen Untertasse absetzte, erinnerte Risa daran, dass ihre Untersuchung lange genug angedauert hatte.
    »Ja«, sagte sie in einem unverbindlichen Ton, ohne den Blick von dem Meisterwerk zu wenden, »eine sehr schöne Goldschmiedearbeit. Es ist exzellent erhalten. Beinahe zu gut, nach meinem Geschmack. Die meisten Teile, die wir aus der Zeit um das sechste oder siebte Jahrhundert nach Christus besitzen, zeigen viel mehr Gebrauchsspuren. Viel mehr.«
    »Nicht, wenn sie jemandes hoch geschätzter Besitz waren«, meinte Smith-White geschmeidig. »Das ist vergleichbar mit den Kultgegenständen eines Papstes, heilige Symbole aus Gold, die liebevoll gelagert und von Generation zu Generation weitergegeben werden und die man nur zu den höchsten festlichen Anlässen hervorholt und benutzt.«
    Und wie sind diese Gegenstände dann in Ihre Hände gelangt? Diese ironische Frage sprach Risa allerdings nicht laut aus. Zweifelsohne dachte Shane genau dasselbe. Das Problem war nur, dass ihn die Herkunft des Schmucks nicht so bekümmerte wie sie.
    Ohne auf Smith-White zu reagieren, vertiefte sich Risa erneut in die genaue Inspizierung des Schmuckstücks. Als sie schließlich die Lampe zur Seite schwang, achtete sie darauf, dass die Überwachungskamera die Brosche unbeeinträchtigt aufnehmen konnte. Vor ihr lag ein Berg von Arbeit zur genauen Untersuchung des Stücks – und verdammt wenig Zeit dafür.
    Sie hätte viel dafür gegeben, dazu auf die umfassenden Datenbestände von Rarities Unlimited zurückgreifen zu können.
    Wie zufällig drehte sie die Brosche um, damit die Kamera auch die ebenso meisterhafte Rückseite ins Visier nehmen konnte. Dann gab sie das Stück zurück an Smith-White.
    Der legte die Brosche wieder in die mit Samt ausgeschlagene Schachtel zurück, die er auf dem Tisch liegen ließ, damit Shane den Schmuck weiterhin bewundern konnte und – wie Smith-White hoffte – in ihm den Wunsch erweckte, eine halbe Million Dollar dafür zu bezahlen. Mindestens. Er goss noch einmal Kaffee in seine winzige Tasse und schlürfte sie hörbar auf türkische Weise aus, bis nur noch dunkler Satz am Boden sichtbar war.
    Der Wächter wechselte das Standbein.
    Risa wartete und dachte erneut darüber nach, ihre manikürten Fingernägel an Smith-White zuschanden zu machen. Sie blickte auf ihre Uhr.
    Shane tat dasselbe.
    Smith-White nahm den Hinweis auf und griff erneut in den Aluminiumkoffer.
    »Hier ist noch ein schönes Stück«, sagte er. »Eine Opfergabe für einen sehr, sehr mächtigen

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