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Blutkirsche

Blutkirsche

Titel: Blutkirsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrun Weitbrecht
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mir leid“, sagte Sieglinde, „ich wollte zu dir in den Garten kommen, aber ich bin nicht gut zu Fuß, jeder Schritt ist anstrengend für mich. Die Fahrt hierher habe ich kaum geschafft.“
    „Bleib sitzen“, bat Anne und holte sich einen Sessel. Für einen Augenblick herrschte im Zimmer Stille. Magda Wieland hatte sich neben Sieglinde gesetzt, hielt ihre Hand und drückte sie ein paar Mal zu, wie zur Bekräftigung.
    „Sieglinde bleibt bei uns!“, erklärte Magda. „Sie ist krank und will sich von Achim scheiden lassen! Er macht ihr das Leben zur Hölle, sie hält es nicht mehr aus.“
    Also so sieht es aus, dachte Anne. Ist das der Grund, dass sie mit dem Trinken anfing?
    Ihre Schwester wirkte schwach und verletzlich. Schaut fast wie eine Tote aus. Das Gefühl von Hilflosigkeit und Trauer überfiel Anne.
    „Ich richte dann mal das Gästezimmer.“ Magda stand auf und ging hinaus.
    Anne folgte ihr und flüsterte: „Wie ist sie denn hierher gekommen, doch nicht mit dem Auto?“
    „Nein, mit dem Zug und dann mit dem Taxi“, entgegnete ihre Mutter flüsternd zurück.
    „War auch vernünftig, in ihrem Zustand. Hör zu Mama, räum’ deinen Sherry weg, ich schließe den Weinkeller zu. Wir müssen schauen, wie ihr sonst noch zu helfen ist. Ein Arzt muss kommen. Vielleicht ist es noch nicht zu spät, ihr zu helfen.“
    Magda nickte betrübt, sie hatte verstanden.
    |77| Jetzt wurde aus dem Essengehen nichts. Den Tisch im Restaurant würde sie abbestellen müssen. Vielleicht konnte sie aus den Vorräten doch noch so etwas wie ein Muttertagsmenü zubereiten. Julian kam bestimmt bald nach Hause und hatte bestimmt einen Bärenhunger.
     
    Ganz zu Anfang hatte Lorenz Tressel bei jedem Klingeln an der Haustür gehofft, Sophie, seine Kleine würde vor ihm stehen. Sie hätte sich nur verlaufen oder das Geld für den Zigarettenkauf verloren, hätte Angst gehabt und sich versteckt. Aber als die Zeit immer mehr verstrich, wich die Hoffnung der Verzweiflung.
    Als er sich bewusst wurde, dass etwas nicht stimmte, weil die Tochter immer noch nicht zurück war, hatten seine Frau und er sich auf die Suche gemacht. Vielleicht blieb Sophie ja bei einer Schulfreundin oder auf dem Spielplatz und hatte einfach die Zeit vergessen. Am helllichten Tag musste doch irgendwer ihr Kind gesehen haben. Aber ihre Suche, die seines Bruders und die der alarmierten Nachbarn blieb erfolglos. Die Polizei setzte Mannschaften und Hundeführer, Wärmebildhubschrauber ein, der Bachlauf und der Ort wurden durchkämmt. Sophie blieb wie vom Erdboden verschluckt. Lorenz und seine Frau wurden verhört und zeitweilig verdächtigt. Verwandte und Nachbarn wurden befragt, Fahndungsfotos überall aufgehängt. Sophie blieb verschwunden. Weder ihre Leiche wurde gefunden, noch ging ein Hinweis ein. Auch traf keine Lösegeldforderung ein.
    Die Wochen verstrichen, Lorenz erinnerte sich an diese Zeit nur noch wie unter einem dichten Nebel versteckt. Alles schien unwirklich und doch so nah. Seine Frau weinte wochenlang und Lorenz versank in Depressionen und Schuldgefühlen.
    Lebte Sophie noch? Hielt irgendein Perverser das Kind für seine Sexspiele in einem Kellerverlies gefangen oder moderte ihr Körper irgendwo in einem Erdloch vergraben?
    Er hielt die Fragen anderer nicht mehr aus, die Neugier und das Mitleid der Nachbarn. Als seine Kollegen es aufgegeben hatten, mit ihm zu sprechen, und verstummten, wenn er das Lehrerzimmer betrat, wusste er, dass niemand seine Situation ändern konnte. Selbst sein Bruder konnte nicht mehr helfen. Als er meinte, es wäre nicht fair, was passiert sei, antwortete Lorenz: „Seit wann ist das Leben fair?“
    Weil Lorenz mittlerweile den Ermittlungen der Polizei nicht mehr vertraute, beauftragte er einen Privatdetektiv. Das Auffinden von Sophie wurde zu seiner Obsession. Seine Gedanken kreisten nur um diese eine |78| Sache. Er recherchierte nächtelang im Internet, vernachlässigte seinen Job als Lehrer, ließ sich für Monate krankschreiben, bis die Schulleitung die Untersuchung beim Amtsarzt verlangte.
    Dieser schrieb in berufsunfähig und Lorenz beantragte seine vorzeitige Pension. Er war vierundvierzig Jahre alt.
    Eigentlich hatte sein Lebensplan viele Kinder vorgesehen. Kurz nach dem Verschwinden von Sophie suchte er immer noch in den Parks der Umgebung, saß auf Bänken und schaute den Kindern zu. Erst als ihn Mütter misstrauisch ansahen, wurde es ihm bewusst, wie auffällig dies sein musste, von da an hielt er sich von den

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