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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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behandelt, wie man selbst behandelt werden möchte, und ihnen ansonsten nicht reinredet. Wir alle können Ärger machen, auf die eine oder andere Weise. Wahrscheinlich hat die Hälfte der Leute hier eine traurige Geschichte zu erzählen. Wieso sollte man sich sonst durchs große Nichts quälen, mit Gestalten wie uns als Gesellschaft?«
    Raynault Buckhorm hingegen erzählte nur von Hoffnungen, wenn auch mit einem leichten Stottern. Ihm gehörte die Hälfte des Viehs, das den Trupp begleitete, eine Reihe der Männer stand als Viehtreiber in seinen Diensten, und er machte schon die fünfte Reise nach Knick, wo, wie er sagte, ein ständiger Bedarf an Fleisch bestünde. Dieses Mal hatte er seine Frau und seine Kinder dabei und beabsichtigte, in Fernland zu bleiben. Wie viele Kinder er genau hatte, war schwer zu sagen, aber es waren auf alle Fälle viele. Buckhorm fragte Lamm, ob er je das Gras dort in Fernland gesehen hätte. Das beste verdammte Gras im ganzen Weltenrund, meinte er jedenfalls. Und auch das beste Wasser. Das Gras und das Wasser, das sei es wert, sich mit dem Wetter herumzuschlagen und mit den Geistern und mit der großen Entfernung. Als Scheu ihm von Grega Cantliss und seiner Bande erzählte, schüttelte er den Kopf und sagte, es überrasche ihn immer wieder, wie tief ein Mensch sinken könne. Buckhorms Frau Luline – die ein enorm breites Lächeln besaß, aber von äußerst winziger Statur war, so dass man sich fragte, wie sie eine so zahlreiche Brut hatte hervorbringen können – schüttelte auch den Kopf und sagte, das sei das Scheußlichste, was sie je gehört habe, und sie wünschte, dass es etwas gäbe, was sie tun könnte, und wahrscheinlich hätte sie Scheu umarmt, wenn sie nicht eine Pferdehöhe Abstand zwischen sich gehabt hätten. So gab sie Scheu eine kleine Pastete und fragte, ob sie schon mit Häcke gesprochen hätte.
    Häcke war ein verschlagener Kerl mit einem abgekämpften Maultier, zu wenig Ausrüstung und der wenig anheimelnden Angewohnheit, von oben herab zu sprechen. Er hatte noch nie von Grega Cantliss gehört, aber er deutete auf sein lahmes Bein, das, wie er sagte, daher rührte, dass er einen Angriff in der Schlacht um Osrung geführt hatte. Scheu hatte ihre Zweifel, was diese Geschichte anging. Aber immerhin hatte ihre Mutter immer gesagt, man fährt am besten, wenn man nach dem Besten in anderen Menschen sucht , und das war ein guter Rat, auch wenn ihre Mutter selbst sich nie daran gehalten hatte. Scheu bot Häcke Luline Buckhorms Pastete an, und er sah ihr endlich ins Gesicht und sagte: »Du bist in Ordnung.«
    »Lass dich nicht von einer Pastete beirren.« Aber als sie weiterritt, guckte er immer noch auf das Gebäck in seiner dreckigen Hand, als ob es ihm so viel bedeutete, dass er es nicht über sich brachte, es zu essen.
    Scheu machte weiter die Runde, bis ihre Kehle schmerzte, weil sie so oft von ihren Sorgen berichtet hatte, und ihre Ohren auch, weil sie sich im Gegenzug so viele Träume anderer hatte anhören müssen. Ein Trupp, das war so etwas wie eine Gemeinschaft, dachte sie; im Großen und Ganzen waren sie eine Gruppe wohlmeinender, großzügiger Menschen. Sicher, einige waren kantig und seltsam und närrisch, aber alle waren sie darauf aus, eine bessere Zukunft zu finden. Ein wenig davon färbte sogar auf Scheu ab, die mit der Zeit und durch Erfahrung hart geworden war, die Arbeit und Wetter gegerbt hatten und die nun die Sorge um Pits und Ros Zukunft und um Lamms Vergangenheit quälte. Doch sie spürte unter dem Einfluss des frisches Winds auf ihrem Gesicht und der frischen Hoffnungen, die noch in ihren Ohren widerhallten, wie sich ein dümmliches Grinsen unter ihrer Nase ausbreitete, als sie sich wieder zwischen den Planwagen einfädelte, Leuten zunickte, die sie nicht kannte, und Leuten auf die Schulter klopfte, die sie gerade erst getroffen hatte. Sobald sie sich erinnerte, wieso sie eigentlich hier war, versuchte sie, das Lächeln wieder auszulöschen, aber es kam stets sofort zurück, wie Tauben, die man von einem Feld mit frisch ausgebrachter Saat verscheucht.
    Schon bald gab sie den Versuch auf. Tauben ruinierten die Ernte, aber welchen Schaden konnte ein Lächeln schon anrichten?
    Also ließ sie es an Ort und Stelle. Fühlte sich irgendwie gut an.
    »Jede Menge Mitgefühl«, sagte sie, nachdem sie mit fast allen gesprochen hatte und die Sonne untergegangen war, die am Himmel vor ihnen nur noch einen goldenen Streif zurückgelassen hatte. Die ersten

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