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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Zusammenhang stand. Scheu hatte den Eindruck, dass Ingelstads Pech nach Spiel und Schulden roch, aber da ihr eigener Lebensweg nun nicht unbedingt schnurgerade verlaufen war, konnte sie sich Kritik nicht leisten und ließ den Ausdruck so stehen. Von irgendwelchen Banditen, die Kinder verschleppt hatten, wusste er so wenig wie von vielen anderen Dingen. Als sie sich verabschiedete, lud er sie und Lamm ein, am Abend für eine Runde Karten vorbeizuschauen. Es ginge um kleine Einsätze, versicherte er, aber nach Scheus Erfahrung fing es immer klein an, und die Einsätze mussten gar nicht viel größer werden, damit sich ein dickes Problem für alle Beteiligten daraus entwickelte. Und so lehnte sie auch dieses Angebot höflich ab und bemerkte noch, dass ein Mann, der so viel Pech gehabt hatte, vielleicht besser aufpassen sollte, dass er nicht noch mehr davon auf sich zog. Er nahm ihren Hinweis mit hemdsärmeligem Humor und rief daraufhin Gentili und seinen Jungs dieselbe Frage zu. Lady Ingelstad sah aus, als würde sie lieber alle möglichen Beteiligten mit bloßen Zähnen töten, als zuzulassen, dass auch nur einmal ein Blatt gemischt und ausgeteilt wurde.
    Der nächste Wagen war vielleicht einer der größten des Trupps; er hatte Glasfenster, und an der Seite prangte in bereits abblätternden purpurnen Lettern der Schriftzug Der berühmte Iosiv Lestek . Scheu war zwar der Meinung, dass ein Mann, der wirklich so berühmt war, es nicht nötig hatte, seinen Namen auf einen Planwagen zu schreiben, aber da ihr eigener Ruhm sich auf zahlreich ausgehängte Fahndungsplakate beschränkte, betrachtete sie sich in dieser Hinsicht nicht gerade als Expertin.
    Ein Junge mit verfilztem Haar lenkte den Wagen, und der große Mann saß hin und her schaukelnd neben ihm, alt und hager und so grau, als sei alle Farbe aus ihm herausgesickert. Er war in eine fadenscheinige Geisterdecke gewickelt. Allerdings hob er gleich den Kopf, als Scheu und Lamm sich näherten und er die Gelegenheit zur Selbstdarstellung witterte.
    »Ich … bin Iosiv Lestek.« Es war ein Schock, als die Stimme eines Königs aus diesem eingeschrumpelten Kopf herausdröhnte, voll und tief und fruchtig wie Pflaumensoße. »Der Name ist sicher ein Begriff.«
    »Ich muss leider zugeben, dass wir nicht so oft ins Theater kommen«, sagte Lamm.
    »Was führt Sie nach Fernland?«, fragte Scheu.
    »Eine Krankheit zwang mich, eine Rolle im Schauspielhaus zu Adua abzusagen. Die Truppe war natürlich entsetzt, mich zu verlieren, ausgesprochen entsetzt , aber ich bin völlig wiederhergestellt.«
    »Das sind doch gute Nachrichten.« Sie traute sich kaum vorzustellen, wie er vor seiner Gesundung ausgesehen haben mochte. Noch jetzt wirkte er wie ein Leichnam, der durch Zauberkraft wiederauferstanden war.
    »Ich bin auf der Durchreise nach Knick, um dort die Hauptrolle in einem Kulturereignis der Extraklasse zu übernehmen.«
    »Kultur?« Sie schob ihren Hut ein wenig in den Nacken, um das einsame Land zu betrachten, das vor ihnen lag, graues Gras und verkrüppelte Büsche und ausgedörrte Hänge übersät mit trockenem braunem Geröll, in dem es keine Lebenszeichen gab außer ein paar hoffnungsvollen Falken, die in der Höhe kreisten. »Da draußen?«
    »Auch das geringste Herz hungert, das Erhabene zu schauen«, eröffnete Lestek ihnen.
    »Wenn Sie das sagen«, erwiderte Lamm.
    Lestek lächelte zum Horizont, der sich allmählich rötete, und hielt dabei eine Hand – so bleich, dass man fast hindurchsehen konnte – an die Brust gepresst. Scheu beschlich das Gefühl, dass er zu den Menschen gehörte, die nicht einsahen, wozu man bei einem Gespräch ein Gegenüber brauchte. »Mein größter Auftritt liegt noch vor mir, so viel weiß ich.«
    »Darauf können wir uns ja alle freuen«, brummte Scheu und wendete ihr Pferd.
    Etwa ein Dutzend Suljukisen hatten ihrer Unterhaltung zugesehen und sich um einen vergammelt wirkenden Wagen geschart. Sie sprachen die Gemeine Sprache nicht, und Scheu hätte kaum ein Wort Suljukisch erkannt, vom Verstehen gar nicht erst zu reden. Also nickte sie ihnen nur zu, als sie vorbeiritt, und sie nickten in gegenseitigem, wohlmeinendem Unverständnis zurück.
    Aschjid war ein gurkhisischer Priester, der fest entschlossen war, als Erster das Wort des Propheten nach Knick zu bringen. Oder, besser gesagt, als zweiter, nachdem ein Mann namens Oktaadi nach einem Vierteljahr dort aufgegeben hatte und ihm dann auf der Heimreise von den Geistern die Haut abgezogen worden

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