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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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besten Freund getötet hatte. »Ich hab’s verloren.«
    »Draußen im Niemandsland ohne eine Klinge?« Als sei das mindestens so seltsam, wie ohne Nase unterwegs zu sein. Tempel quietschte wie ein kleines Mädchen, als eine große Hand unter seinen Arm fasste und ihn abtastete. »Du hast tatsächlich keins, es sei denn, du hättest es in deinem Arsch versteckt.« Eine unangenehme Vorstellung. »Aber da guck ich nicht nach.« Das war zumindest eine erfreuliche Nachricht. »Bist du ein Verrückter?«
    »Ich bin ein Rechtskundiger.«
    »Kann man nicht beides zugleich sein?«
    Ganz offensichtlich. »Nehme … nehme ich an, ja.«
    Noch eine Pause. »Bist du Coscas Rechtskundiger?«
    »Das war ich.«
    »Hm.« Die Spitze verschwand, und da, wo sie ihn zuvor berührt hatte, blieb ein kribbelnder Punkt auf Tempels Rücken. Selbst unangenehme Dinge können einem offenbar fehlen, wenn man sich erst einmal an sie gewöhnt hat.
    Ein Mann drängte sich an Tempel vorbei. Ein großer schwarzer, struppiger Schatten, in dessen einer Hand eine Messerklinge schimmerte. Er zog ein langes Schwert aus seinem Gürtel und warf es auf die Decke, dann ließ er sich im Schneidersitz daneben nieder, und der Feuerschein spiegelte sich flackernd rot und gelb in seinem metallenen Auge.
    »Das Leben geht manchmal seltsame Wege, nicht wahr?«, fragte er.
    »Caul Espe«, raunte Tempel und wusste nicht, ob er sich nun besser oder schlechter fühlen sollte.
    Espe beugte sich vor und drehte den Spieß mit Daumen und Zeigefinger. Fett tropfte in die Flammen. »Hunger?«
    Tempel leckte sich die Lippen. »Ist das bloß eine Frage – oder eine Einladung?«
    »Ich habe mehr, als ich allein essen kann. Das Pferd bringst du besser hier herüber, bevor es sich losreißt. Pass aber auf, wo du hintrittst.« Der Nordmann machte eine Kopfbewegung zu den Bäumen hin. »Da hinten ist eine Schlucht, vielleicht zwanzig Schritt tief und mit reichlich viel zornigem Wasser auf dem Grund.«
    Tempel holte das Pferd und hobbelte es an, nahm ihm den Sattel und die feuchten Decken darunter ab, und dann überließ er das Tier sich selbst, das bisschen Gras zu fressen, das es vielleicht finden mochte. Es ist nun einmal eine traurige Tatsache: Je hungriger ein Mensch ist, desto weniger kümmert er sich um den Hunger anderer. Espe hatte den Braten bis auf die Knochen aufgeschnitten und aß von einem Blechteller, indem er die Stücke mit der Messerspitze aufspießte. Weitere Fleischstücke lagen schimmernd auf einem Stück Baumrinde an der anderen Seite des Feuers. Tempel sank davor auf die Knie, als sei es der heiligste Altar.
    »Vielen, vielen Dank.« Er schloss die Augen und fing an zu essen, saugte den Fleischsaft aus jedem Brocken. »Ich dachte schon, ich müsste hier draußen sterben.«
    »Wer sagt, dass du das nicht tun wirst?«
    Ein Stückchen Fleisch geriet Tempel in die falsche Kehle, und er hustete mühsam. »Bist du allein?«, brachte er heraus, um vor allem das bedrohliche Schweigen zu brechen.
    »Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich keine gute Gesellschaft bin.«
    »Machst du dir keine Sorgen wegen der Geister?«
    Der Nordmann schüttelte den Kopf.
    »Ich habe gehört, sie hätten in Fernland eine Menge Leute umgebracht.«
    »Wenn sie mich umgebracht haben, dann mache ich mir Sorgen.« Espe warf den Teller hin und stützte sich auf einen Ellenbogen, und sein zerstörtes Gesicht wanderte weiter in die Dunkelheit. »Natürlich kann man die Zeit, die einem gegeben wird, damit verbringen, sich wegen irgendwelcher möglichen Dinge in die Hosen zu scheißen, aber was bringt einem das?«
    Ja, was brachte einem das? »Bist du immer noch auf der Jagd nach dem neunfingrigen Mann?«
    »Er hat meinen Bruder getötet.«
    Tempel wollte sich gerade noch ein Stück Fleisch in den Mund schieben, hielt nun aber in der Bewegung inne. »Das tut mir leid.«
    »Dann tut es dir mehr leid als mir. Mein Bruder war ein Dreckskerl. Aber Familie ist nun mal Familie.«
    »Davon verstehe ich nichts.« Tempels Verwandte hatten selten viel Zeit mit ihm verbracht. Eine tote Mutter, eine tote Frau, eine tote Tochter. »Das Nächste, was ich an Familie habe, wäre wohl …« Er erkannte, dass er gerade Sufeen hatte nennen wollen, und der war nun auch tot. »Nicomo Cosca.«
    Espe schnaufte. Fast klang es wie ein Kichern. »Meiner Erfahrung nach ist er nicht unbedingt ein Mann, bei dem man sich darauf verlassen kann, dass er einem den Rücken freihält.«
    »Was hast du denn für Erfahrungen mit

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