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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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verlorener wurde.
    »Scheiße!«, brüllte er ins Nichts.
    Sein Pferd blieb stehen, spielte mit den Ohren, trabte dann weiter. Das Tier schien gegen seine Ausbrüche allmählich immun zu werden. Tempel spähte durch die krummen Äste. Der Mond schimmerte leicht durch die schnell ziehenden Wolkenfetzen.
    »Gott?«, raunte er, und er war so verzweifelt, dass er sich dabei nicht einmal blöd vorkam. »Hörst du mich?« Keine Antwort. Natürlich. Gott antwortete nicht, solchen Typen wie ihm schon gar nicht. »Ich weiß, ich bin nicht immer der beste Mensch gewesen. Noch nicht mal ein besonders guter …« Er verzog das Gesicht. Wenn man erst einmal akzeptierte, dass es den da oben gab, dass Er alles wusste und alles sah und so weiter, dann musste man wahrscheinlich auch akzeptieren, dass es keinen Zweck hatte, Ihm etwas vorzumachen. »Na schön, ich bin ein ziemlich armseliger Wicht, aber … doch auch bestimmt bei Weitem nicht der Schlimmste, den es gibt?« Na, darauf konnte man sich ja wirklich etwas einbilden. Das würde eine schöne Grabsteininschrift werden. Wenn es überhaupt je einen für ihn geben würde und er nicht einsam und allein hier draußen starb und verrottete. »Ich bin aber sicher, dass ich mich bessern könnte, wenn du es vielleicht doch für möglich halten würdest, mir noch … einmal eine Chance zu geben?« Was für ein Gefeilsche und Gebettel. »Nur noch … eine einzige?«
    Keine Antwort, nur die nächste eisige Bö, die flüsternd durch die Bäume fuhr. Wenn es einen Gott gab, dann war er offenbar ein schweigsamer Drecksack und kein …
    Hinter den Bäumen entdeckte Tempel den ganz leichten Schimmer eines orangefarbenen Flackerns.
    Ein Feuer! Jubel entbrannte in seiner Brust!
    Die Vorsicht dämpfte ihn jedoch sofort.
    Wessen Feuer? Das von Ohren sammelnden Barbaren, die nur eine Stufe über wilden Tieren standen?
    Ein Duft nach gebratenem Fleisch zog vorbei, und sein Magen reagierte mit einem lang gezogenen, grollenden Knurren, so laut, dass er fürchtete, es würde ihn verraten. Tempel hatte den größten Teil seiner jungen Jahre hungern müssen und dabei gelernt, mit diesem Gefühl umzugehen, aber wie bei den meisten anderen Dingen musste man auch hier in Übung bleiben, wenn man sie dauerhaft beherrschen wollte.
    Er zügelte sanft sein Pferd, glitt so leise er konnte aus dem Sattel und hängte die Zügel über einen Busch. Geduckt schlich er durch das Unterholz, die Äste fassten mit klauenartigen Schatten nach ihm, und er fluchte tonlos vor sich hin, als er mit Kleidung, Schuhen und Gesicht an neugierig tastenden Zweigen hängen blieb.
    Das Feuer brannte in der Mitte einer kleinen Lichtung, und darüber drehte sich ein kleines Tier, das abgezogen und auf ein paar Stöcke gespießt worden war. Tempel unterdrückte den mächtigen Impuls, sich darauf zu stürzen und seine Zähne hineinzuschlagen. Eine einzige Decke war zwischen dem Feuer und einem abgewetzten Sattel ausgebreitet. An einem Baum lehnte ein runder Schild, dessen Narben am Metallrand und der hölzernen Vorderseite auf häufige Benutzung schließen ließen. Daneben befand sich eine Axt mit einem breiten Bart. Man musste kein Fachmann für Waffenkunde sein, um zu erkennen, dass es sich hier um ein Werkzeug handelte, mit dem nicht etwa Holz, sondern vielmehr Köpfe gespalten werden sollten.
    Die Ausrüstung ließ auf einen einzelnen Mann schließen, aber ganz offensichtlich auf einen, der einem ernste Schwierigkeiten machen konnte, wenn man versuchte, ihm sein Essen zu klauen.
    Tempels Augen glitten zwischen dem Fleisch und der Axt hin und her, und ihm lief das Wasser so sehr im Mund zusammen, dass es fast schon wehtat. Normalerweise hätte man den Tod durch einen Axthieb sicherlich als höchst bedrohlich eingeschätzt, aber in diesem Augenblick erschien der sichere Tod durch Verhungern noch bedrohlicher. Er richtete sich langsam auf und wollte gerade …
    »Schöner Abend heute, nicht wahr?« Die Worte erklangen auf Nordisch in kehligem Flüstern direkt hinter Tempels Ohr.
    Er erstarrte, und die kleinen Härchen im Nacken richteten sich auf. »Bisschen windig«, brachte er krächzend hervor.
    »Da hab ich schon Schlimmeres erlebt.« Eine kalte und schreckliche Spitze kitzelte Tempel im Kreuz. »Und jetzt zeig mal deine Waffen, aber so langsam wie eine Schnecke im Winter.«
    »Ich … ich bin unbewaffnet.«
    Eine Pause. »Du bist was?«
    »Ich hatte ein Messer, aber …« Er hatte es einem knochigen Bauern gegeben, der damit seinen

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