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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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ihm?«
    »Wir wurden beide angeheuert, ein paar Leute umzubringen. In Styrien, vor zehn Jahren ungefähr. Freundlich war auch dabei. Und noch ein paar andere. Ein Giftmischer. Eine ehemalige Praktikalin, die sich gut mit Folter auskannte.«
    »Hört sich ja nach einer lustigen Gesellschaft an.«
    »Das sollte kein Witz sein, auch wenn es sich vielleicht so anhört. Es wurde …« Espe kratzte sich ganz sanft an der großen Narbe unter seinem Metallauge. »Ein bisschen unangenehm.«
    »Es wird meistens unangenehm, wenn Cosca seine Hand im Spiel hat.«
    »Auch ohne ihn kann es ziemlich übel zugehen.«
    »Aber mit ihm noch mehr«, brummte Tempel und blickte ins Feuer. »Er hatte früher schon nicht allzu viele Skrupel, aber zumindest ein bisschen waren andere ihm noch wichtig. Er ist schlimmer als früher.«
    »So ist das mit den meisten.«
    »Aber nicht mit allen.«
    »Ah.« Espe zeigte seine Zähne. »Du bist einer dieser Optimisten, von denen ich gehört habe.«
    »Nein, nein, das bin ich nicht«, antwortete Tempel. »Ich suche mir immer den einfachsten Weg.«
    »Sehr weise. Ich habe festgestellt, wenn man auf etwas hofft, passiert meist das Gegenteil.« Der Nordmann drehte den Ring, den er am kleinen Finger trug, langsam hin und her, und der Stein schimmerte blutrot. »Ich hatte auch einmal den Traum, ein besserer Mensch zu werden, vor langer Zeit.«
    »Was ist dann passiert?«
    Espe streckte sich neben dem Feuer aus, schob die Stiefel auf den Sattel und breitete eine Decke über sich aus. »Dann bin ich aufgewacht.«
    Tempel erwachte im ersten ausgewaschenen Graublau der Dämmerung und merkte, dass er lächelte. Der Boden war kalt und hart, die Decke war viel zu klein und roch fürchterlich nach Pferd, das Abendessen war nicht ausreichend gewesen, aber dennoch war es lange her, dass er so gut geschlafen hatte. Die Vögel zwitscherten, der Wind wisperte leise, und hinter den Bäumen vernahm er das leise Rauschen von Wasser.
    Dass er von der Kompanie getürmt war, erschien ihm plötzlich ein hervorragender Plan, mutig ausgeführt. Er drehte sich unter der Decke um. Wenn es einen Gott gab, dann war der offenbar tatsächlich so nachsichtig, wie Kahdia immer …
    Espes Schwert und Schild waren verschwunden, und auf seiner Decke saß ein anderer Mann.
    Er war bis zur Hüfte nackt, und der blasse Körper schien nur aus Sehnen zu bestehen. Seine untere Körperhälfte war mit einem dreckigen Frauenkleid verhüllt, das in der Mitte zerschnitten und mit Bindfaden zu einer lockeren Hose zusammengenäht worden war. Eine Seite seines Kopfes war rasiert, das orangefarbene Haar auf der anderen mit irgendeiner fettigen Substanz zu Stacheln geformt. In einer Hand hielt er ein Beil, in der anderen ein glänzendes Messer.
    Das war also ein Geist.
    Er starrte Tempel unverwandt über das erloschene Feuer hinweg an, und Tempel guckte zurück, wenn auch mit wesentlich weniger bohrendem Blick, und dann merkte er, dass er sich leise die nach Pferd stinkende Decke mit beiden Fäusten bis unters Kinn gezogen hatte.
    Zwei weitere Männer lösten sich geräuschlos aus dem Schatten der Bäume. Einer trug eine Art Helm, der allerdings wohl nicht zum Schutz gegen irgendwelche irdischen Waffen gedacht war, denn er bestand aus einer offenen Konstruktion aus Stöcken, die an den Ecken mit Federn zusammengehalten wurde und an einem Kragen festgemacht war, der aus einem alten Gürtel bestand. Die Wangen des anderen waren von selbst beigebrachten Narben durchzogen. Unter anderen Umständen – auf einer Bühne vielleicht, oder beim styrischen Karneval – hätten sie sicherlich einige Lacher geerntet. Hier, in der unerforschten Wildnis von Fernland und mit Tempel als einzigem Zuschauer, konnte von Erheiterung überhaupt keine Rede sein.
    »Noy.« Ein vierter Geist erschien wie aus dem Nichts, halb Mann, halb noch Junge, mit blondem Haar rund um das blasse Gesicht und einem Strich getrockneter brauner Farbe unter den Augen. Tempel hoffte jedenfalls, dass es Farbe war. Die Knochen eines kleinen Tiers, die vorn auf das aus einem Sack gefertigte Oberkleid genäht waren, klapperten, als er von einem Bein aufs andere sprang und dabei strahlend lächelte. Er bedeutete Tempel aufzustehen.
    »Noy.«
    Sehr langsam erhob Tempel sich, lächelte erst ebenfalls den Jungen an und dann die anderen. Lächeln, immer weiter lächeln, Hauptsache, wir bleiben alle freundlich. »Noy?«, versuchte er es.
    Es war mehr der Schock als die Wucht, der Tempel zu Boden warf.

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