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Blutköder

Blutköder

Titel: Blutköder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nevada Barr
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ruhen zu lassen, ebenso wenig wohl wie ihr. Doch anders als sie trug er die Verantwortung für die Sicherheit des gesamten Parks. Die Parkpolizei der Nationalen Parkaufsicht hatte die Aufgabe, Touristen daran zu hindern, der Natur und einander Schaden zuzufügen. Sie war nicht dazu da, langfristige und gründliche Ermittlungen durchzuführen. Nationalparks waren Bundesgebiet und fielen deshalb unter den Zuständigkeitsbereich des FBI . Allerdings hatte das FBI häufig dickere – oder interessantere – Fische an der Angel, sodass die Untersuchungen dem Park übertragen wurden, wo sich die Straftat ereignet hatte.
    Und das hier war einer dieser Fälle.
    Der Mord an Carolyn Van Slyke würde vermutlich, wie so viele niemals aufgeklärte Tötungsdelikte, durch die Maschen schlüpfen.
    »Ich würde mich freuen«, meinte Harry, »wenn Sie sich noch eine Weile umschauen. Joan bleibt weitere fünf Tage auf dem Berg. Ich halte es für wenig sinnvoll, dass sie sofort wieder dorthin zurückkehren, außer sie wollen an der DNA -Studie teilnehmen. Schließlich hat sie Buck als Handlanger, was mehr ist, als sie gewöhnt ist. Warum benutzen Sie nicht Joans Büro und ihren Computer? Sehen Sie, ob Sie etwas, irgendetwas, aufspüren, das uns die nötigen Zusammenhänge liefert. Wenn nicht, stelle ich Sie vom Dienst frei, und Sie können wieder für Joan arbeiten.«
    »Klar«, antwortete Anna. Sie würde gleich am nächsten Morgen anfangen. Im Bücherregal unter Joans Fernseher hatte sie eine Videosammlung bemerkt, die Klassiker wie Stirb langsam, End of Days und Aliens enthielt. Heute Abend wollte sie sich ein paar Prügeleien aus zweiter Hand gönnen.

20
    Am nächsten Morgen richtete sich Anna in Joans Büro ein. Auf dem Weg dorthin war sie einige Male freundlich begrüßt und auf die Kaffeemaschine hingewiesen worden. Doch niemand hatte ihr Fragen zu dem Mord oder damit zusammenhängenden Dingen gestellt. Forscher waren bewundernswert eingleisig. Wenn es nicht um Bären ging, scherte sich kein Mensch in diesem großen Gebäude darum.
    Mit Ruicks Segen hatte Anna Kopien jedes jemals verfassten Berichts, jedes sichergestellten Beweisstückes und sämtlicher vom Labor geschickten Berichte mitgenommen. Allerdings fehlten in Joans Büro die sauberen freien Flächen, da jeder Zentimeter mit Aktenordnern, Papieren, Broschüren, Büchern und im Laufe der Jahre gesammelten Fundstücken von Bären bedeckt war. Wohl wissend, dass dieses gut gepolsterte Nest genau Joans Wünschen entsprach und sich das Durcheinander mit den Anforderungen ihres Berufs deckte, beschloss Anna, nichts daran zu verändern, und legte die Reliquien ihrer eigenen Untersuchung vorsichtig auf die Stapel. Dann setzte sie sich dazwischen und ließ ihre Gedanken fließen, um Plänen und Ideen die Möglichkeit zum Werden zu geben.
    Carolyn Van Slykes Autopsiebericht lag rechts vom Computer auf einer angebrochenen Tüte Gummibärchen. Anna las ihn noch einmal und suchte nach Verbindungen zu McCaskil. Bis auf die Jacke gab es keine. Selbstverständlich war die Leiche auf Anzeichen von sexueller Gewalt untersucht worden. Nichts. Falls Carolyn wirklich eine Affäre mit McCaskil gehabt hatte, war der Sex einvernehmlich und unter Benutzung eines Kondoms geschehen.
    Anna hatte nur Lester Van Slykes Wort, dass Carolyn ihn betrogen hatte. Obwohl sie ihm glaubte, bestand die weit hergeholte Möglichkeit, dass er, inspiriert von der Militärjacke, die Anschuldigung als Chance gesehen hatte, den Verdacht auf McCaskil zu lenken. Allerdings hatte er dabei vergessen, dass er sich selbst damit nur ein weiteres Motiv gab, seine Frau umzubringen. Da Anna keine Beweise hatte, musste sie sich mit Vermutungen begnügen.
    Nachdem sie Telefonnummer und Adresse von Carolyn Van Slykes Arbeitgeber in Seattle ausfindig gemacht hatte, rief sie in der Kanzlei an. Francine Cuckor, Carolyns Sekretärin, war gerne bereit, ihre Fragen zu beantworten. Ob Scheidungsanwälte eine lockerere Einstellung zum Thema Ehebruch hatten als der Durchschnittsmensch, oder ob Francine einfach nur redselig war, würde Anna wohl nie erfahren. Doch nach Miss Cuckors anzüglichen Geschichten, von denen einige übertrieben klangen und an Heldenverehrung grenzten, hatte Carolyn nicht nur mit vielen Männern geschlafen, sondern auch kein Geheimnis daraus gemacht. Francine betonte, dass sich Carolyn stets an die Standesregeln des Anwaltsberufs gehalten habe. Ihre genauen Worte lauteten: »Sie hat es nie mit einem Mandanten oder

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