Blutköder
dem Mann einer Mandantin getrieben, bevor der Prozess nicht abgeschlossen war.« Miss Cuckors Ausdrucksweise ließ Anna vermuten, dass die Sekretärin Carolyn wegen ihrer Selbstbeherrschung am liebsten als Kandidatin für die Ruhmeshalle der Anwälte vorgeschlagen hätte.
Francine ging sogar so weit, Anna die Namen und Telefonnummern anderer Personen anzubieten, die ihre Schilderungen bestätigen konnten. Anna lehnte ab. Schließlich wollte sie nur Tatsachen überprüfen und kein Material für Leserbriefe an Penthouse sammeln.
Sie legte auf und stibitzte ein Gummibärchen, um den faden Geschmack im Mund loszuwerden. Obwohl sie nicht prüde und den Freuden der Fleischeslust nicht abgeneigt war, war sie dennoch der altmodischen Ansicht, dass man einen Seitensprung nur unter allergrößter Geheimhaltung begehen sollte und dass es Ehebrechern anstand, ein schlechtes Gewissen zu haben und sich ordentlich zu schämen. Die unbekümmerte Einstellung von Miss Cuckor und der verstorbenen Mrs Van Slyke erschien ihr auf abstoßende Weise schäbig. Anna hatte Zach nie betrogen. Ein Zyniker hatte einmal zu ihr gemeint, das liege nur daran, dass ihre Ehe wegen Zachs frühem Tod keine Gelegenheit gehabt habe, in die Jahre zu kommen. Anna sah das ein wenig anders. Falls sie je wieder heiratete, würde sie sich in der neuen Beziehung ebenso treu und moralisch einwandfrei verhalten.
Falls sie je wieder heiratete. Dieser Gedanke erschreckte sie. Obwohl sie vor einigen Jahren endlich die Flamme gelöscht hatte, die noch für ihren ersten Mann brannte, wäre sie niemals auf die Idee gekommen, dass sie wieder heiraten könnte.
Anna verspeiste noch ein Gummibärchen und griff nach den Berichten, die eine Internetrecherche über einen gewissen William Adkins McCaskil, alias Bill McLellan, alias Bill Fetterman, alias Will Skillman zutage gefördert hatte. Für den Mann sprach, dass er unter seinem wahren Namen eine Genehmigung zum Zelten beantragt hatte. Das Vorhandensein einer Registrierung deutete darauf hin, dass er harmlose Absichten verfolgte. Vielleicht war er aber auch gerissen und besaß ausreichend Erfahrung mit der Polizei und wusste deshalb, dass man mit schweren Gesetzesverstößen um einiges leichter ungestraft davonkam, wenn man sich gleichzeitig an die unwichtigen Regeln hielt. Eine beträchtliche Anzahl von Schwerverbrechern saß einzig und allein darum hinter Schloss und Riegel, weil sie wegen Rechtsabbiegens ohne zu blinken angehalten worden waren und dann eines zum anderen geführt hatte.
McCaskil wurde am 27. Dezember 1949 in Sarasota, Florida, als Sohn von Gerald und Suzanne McCaskil geboren. Mit sechzehn war ihm in Tampa, Florida, vorübergehend der Führerschein entzogen worden. Mit neunundzwanzig wurde er wegen Betrugs verurteilt, weil er auf dem Postweg preiswerte Lebensversicherungspolicen an Senioren verkauft hatte. Dafür hatte er eine sechsmonatige Haftstrafe verbüßt. Mit achtundvierzig erfolgte eine Verurteilung wegen Immobilienbetrugs, denn er hatte Baugrundstücke von einem halben Hektar Größe, leider Eigentum der Naturschutzbehörde von Florida, im Internet angeboten. Das Ergebnis waren achtzehn Monate Freiheitsentzug und fünf Jahre Bewährung. Aus den milden Strafen schloss Anna, dass keine hohen Summen im Spiel gewesen sein konnten. Das, oder McCaskil hatte gute Beziehungen.
Beziehungen. Anna starrte auf den Bericht, ohne ihn wirklich zu sehen. Etwas rüttelte an einem Hebel in ihrem Verstand, als wolle es das Licht anknipsen. Sie las den ersten Absatz noch einmal: alias Bill McLellan, alias Bill Fetterman, alias Will Skillman. McLellan und Skillman passten zusammen. Viele Menschen benutzten die Initialen ihres echten Namens oder verdrehten die Buchstabenfolge, wenn sie sich einen falschen zulegten. Der Name Fetterman fiel indes aus der Reihe und erregte Annas Aufmerksamkeit.
Sie klinkte sich ins NCIC , die landesweite Datenbank zur Verbrechensbekämpfung, ein. Zwei Fettermans waren zur Fahndung ausgeschrieben. Der eine war ein zweiundzwanzigjähriger Schwarzer aus Philadelphia, der wegen Einbruchs gesucht wurde, der andere ein einunddreißigjähriger Weißer aus Los Banos, Kalifornien, dem man einen Autodiebstahl zur Last legte. Anna konnte keine Verbindung zu ihrem Fetterman feststellen.
Da sich der einfachste Weg als Sackgasse entpuppt hatte, startete sie eine Personensuche und fing bei den Fettermans in Sarasota, Florida, an. Zum Glück war Fetterman kein häufiger Name. Sie stieß auf drei
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