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Blutköder

Blutköder

Titel: Blutköder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nevada Barr
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der Kunst der Irreführung war, ein Märchen aufzutischen, sagte Anna ihm – wie ihr Vater es ausgedrückt hätte – »die ganze Wahrheit, nichts als die Wahrheit, aber so wenig wie möglich davon«.
    »Ich bin Officer Pigeon und ermittle in der Mordsache Carolyn Van Slyke. Darf ich Ihnen einige Fragen stellen?«
    Eine Pause entstand. »Fragen Sie«, erwiderte dann eine zögernde Stimme, so frei von einer regionalen Färbung wie die eines Radiosprechers. Anna hatte jedoch den Eindruck, dass das Bedürfnis, zu antworten, nicht sehr stark ausgeprägt war.
    »Wir haben einige Hinweise, die uns bis jetzt aber noch nicht viel weitergebracht haben. Deshalb versuchen wir herauszufinden, ob es zwischen Mrs Van Slyke und unserem möglichen Verdächtigen eine frühere Verbindung gibt«, meinte Anna, wobei sie in der Hoffnung, mit Offenheit punkten zu können, ihr Brot auf die Wasserfläche warf, wie im Buch der Prediger geraten.
    Das Wagnis machte sich, anders als in der Bibel, nicht bezahlt. »Und Sie möchten, dass ich …«
    »… Sie so freundlich wären, mir ein paar Fragen zu beantworten.«
    »Schießen Sie los.«
    Claude würde sich weder erweichen noch austricksen lassen. Also kam Anna direkt auf den Punkt. »War Carolyn Van Slyke mit einem Fall beschäftigt, in dem es um einen Bill McCaskil, Will Skillman, Bill McLellan oder Bill Fetterman ging?«
    »Wir dürfen keine Informationen über Mandanten preisgeben.«
    »Die Tatsache, dass sich jemand einen Anwalt nimmt, fällt nicht unter das Anwaltsgeheimnis«, entgegnete Anna. Häufig wurde das Arzt-, Beicht-, Anwalts- oder sonst ein Geheimnis nämlich nicht zum Schutz der Klienten bemüht. In vielen Fällen berief man sich, berechtigtermaßen oder nicht, einfach nur deshalb darauf, weil es einem entweder zu lästig war, die Polizei bei ihren Ermittlungen zu unterstützen, oder weil man befürchtete, die eigenen Umtriebe könnten so zur Zielscheibe einer Untersuchung werden. Anna hatte die Vermutung, dass Claude sich reflexhaft dahinter verschanzte, um sich Zeit und Arbeit zu sparen. Sie spielte mit dem Gedanken, ihm mit einer Beschlagnahmung seiner Unterlagen zu drohen, wusste aber, dass es zwecklos sein würde. Dieses Privileg war den oberen Dienstgraden vorbehalten. Mit juristischen Ultimaten um sich zu werfen stand einem kleinen Licht wie ihr nicht zu. Claude Winger war das sicher bekannt.
    Sie hörte, wie in einem Büro in Seattle laut aufgeseufzt wurde. »Ich verbinde Sie mit der Sekretärin. Nennen Sie ihr die Namen. Sie wird Ihnen sagen, ob einer dieser Leute im letzten Jahr Carolyn Van Slykes Dienste in Anspruch genommen hat. Weiter zurück in die Vergangenheit wird sie nicht gehen und Ihnen auch sonst nichts verraten.«
    »Danke«, sagte Anna, aber er hatte sie bereits auf Warteschleife geschaltet. Einige Minuten später, sie hatte schon gedacht, man habe beschlossen, sie schmoren zu lassen, bis sie an Altersschwäche starb, meldete sich Francine. Offenbar hatte Winger sie eingehend geimpft, denn sie war so kühl, dass es schon an Unhöflichkeit grenzte. Anna las ihr die Namensliste vor und fügte spontan noch Carl Micou hinzu. Darauf folgte das herablassende Klappern von Fingernägeln auf einer Tastatur.
    »Niemand dieses Namens hat sich aus beruflichen Gründen mit Mrs Van Slyke in Verbindung gesetzt«, verkündete Francine mit Roboterstimme.
    Wäre dieser gestelzte Satz von jemand anderem gekommen, hätte Anna dem Betreffenden unterstellt, dass er ihr etwas verheimlichen wollte. Bei Francine klang er einfach nur kleinlich und aufgesetzt.
    »Danke«, wiederholte Anna und holte ihre Seele aus den schwarzen, von Stimmen erfüllten Abgründen des Telefons zurück in Joans gemütliches Büro.
    Fehlanzeige, lautete der Lieblingsausdruck eines ihrer Ranger namens Barth Dinkins. »Fehlanzeige«, sagte Anna nun in den Raum hinein.
    Carl Micou, der offizielle Halter des aufgegebenen Pick-ups mit Anhänger, der bei der Zulassungsstelle in Florida die Nummer von Fetterman’s Abenteuerwelt als seinen Privatanschluss genannt hatte, blieb ein Geheimnis. Anna wandte sich wieder dem Computer zu.
    In Gedanken entschuldigte sie sich bei Joan für die Telefonrechnung, denn diese würde sicher ziemliche Schwierigkeiten haben, das Geld für ihre Abteilung zurückzufordern. Dennoch rief sie die Auskunft an, schlug die Vorsicht in den Wind und investierte die zusätzlichen fünfzig Cent, die es kostete, sich direkt mit der Handelskammer in Tampa verbinden zu lassen. Ein

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