Blutkult (German Edition)
als er Larkyen erkannte, zeichnete sich in seinem Gesicht ein Ausdruck des Entsetzens ab.
„ Wie kann das sein?“ rief Regar ungläubig. „Er ist einer der Unsterblichen.“
„ Anscheinend ist er es doch nicht“, rief Schädelspalter. „Pah, soll er meinetwegen ruhig verrecken. Wie ich schon einmal sagte, dieser Kerl ist ein wildes Tier, eine Bestie.“
„ Er ist nicht zum Sterben bestimmt“, sagte Regar. „Es ist Schicksal, das wir ihm hier und jetzt wieder begegnen.“
„ Nenne es, wie du willst“, sagte Merkor. „Wenn du ihn nicht hier zurücklassen willst, dann kümmere du dich um ihn. Mir ist es gleich was mit ihm geschieht, doch gib gut auf ihn acht. Wenn mir diese Bestie zu nahe kommt, mache ich Gebrauch von meiner Axt.“
Regar kniete sich zu Larkyen herab und schnitt ihm die Fesseln durch.
„ Was ist dir nur widerfahren?“ seufzte Regar. „Herr, Larkyen, hörst du mich?"
Die Schmerzen hallten noch lange in Larkyen nach, er versuchte zu seinen Rettern zu sprechen, doch aus seinem Mund kam nur Blut.
„ Ich werde mich deiner annehmen“, sagte Regar, „und hoffe, ich kann dir Hilfe bieten.“
Regar wandte sich um und rief zwei Reitern zu: „Helft mir, ihn zu tragen. Wir nehmen ihn mit nach Wehrheim.“
Kapitel 5 – Arterhaltung
„ Den Durchreisenden die Straße, den Laskunern die Höhlen, besagt ein altes Sprichwort“, verkündete Regar mit Stolz. „Der Weg durch die Unterwelt ist kürzer als jede Straße und jeder Pass auf der Oberfläche.“
Sie durchquerten einen unterirdischen Gang. Die Luft roch nach feuchter Erde und abgestandenem Wasser. Ein Geflecht aus unzähligen Wurzeln überzog Boden, Wände und Decke. Dahinter konnte Larkyen die Tiere des Erdreichs hören, die sich raschelnd durch dieses Reich tiefster Schwärze gruben. Er war die ganze Zeit bei Bewusstsein, auch wenn er mittlerweile zu schwach war, um sich auch nur zu bewegen. Ebenso war er außerstande zu sprechen, so sehr er sich auch darum bemühte. Sein Leib, der von einer so gewaltigen Kraft erfüllt gewesen war, glich nur noch einem Gefängnis und schien regelrecht zu versteinern.
Die Nacht neigte sich dem Ende zu, als Larkyen wieder nach Wehrheim zurückkehrte. Er wurde in Tilurians Haus gebracht, wo Regar ihn auf ein Strohbett legen ließ.
Die Familie des alten Mannes begann sofort, sich um Larkyen zu kümmern. Sie zogen ihm die blutdurchtränkte Kleidung aus, wuschen ihn und untersuchten die Wunde. Auch der berühmteste Heiler der Stadt, mit Namen Sigurian, erschien auf Regars Geheiß.
Er war von ähnlichem Alter wie Tilurian, sein Kopf war völlig kahl und von Altersflecken übersät. Das schmale Gesicht des Heilers endete in einem langen Bart, der zu mehreren Zöpfen geflochten war.
Es hieß, dass Sigurians Fähigkeiten in der Heilkunst in jedem Jahr seines Lebens gewachsen waren. Der Heiler zeigte sich anfangs verwundert über Larkyens Raubtieraugen und rätselte darüber nach, ob der Verletzte wirklich menschlicher Herkunft sei.
„ Bitte hilf ihm“, sagte Regar. Der Krieger war die ganze Zeit nicht von Larkyens Bett gewichen und sah besorgt auf ihn herab. „Tu alles was in deiner Macht steht.“
Sigurian vernähte die Speerwunde sauber und versuchte sie im Anschluss mit Kräutern und Salben zu behandeln. Doch Larkyen war damit noch längst nicht geholfen, denn das Blut floss weiter zwischen den Nähten hervor und tränkte das Stroh, auf dem er lag.
Sigurian strich sich nachdenklich durch den grauen Bart und murmelte: „Ich verstehe das nicht, die Wunde hört einfach nicht auf zu bluten. Eigentlich hätte er längst tot sein müssen, kein Mensch überlebt solch einen Blutverlust.“
Erst jetzt nahm Sigurian das Mal auf Larkyens Handrücken genauer in Augenschein.
„ Eine schwarze Sonne“, flüsterte er nachdenklich. „Dies ist keines Menschen Zeichen!“
Regar gebot allen außer dem Heiler, den Raum zu verlassen. Dann erklärte er: „Larkyen ist kein Mensch.“
„ Was ist er dann?“
„ Er ist einer der Götter.“
Sigurian räusperte sich. „Ich erinnere mich an die Erzählungen meines Großvaters. Lange ist es her, damals war ich noch ein Kind. Mein Großvater berichtete von Wesen in Menschengestalt, jedoch mit übermenschlichen Fähigkeiten und den Augen von Raubtieren. Sie altern nicht, und jede ihrer Verletzungen heilt binnen eines Atemzuges. Sie zehren von der Kraft, die alle Lebewesen lebendig sein lässt, und bringen ihnen den Tod. Und obwohl sie so
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