Blutland - Von der Leidenschaft gerufen
waren Geschöpfe, die ich noch nie zuvor gesehen hatte, und es war nicht ein Raubtier dabei.
Criminy schloss sachte die Tür hinter uns und murmelte: »Wir wollen ja nicht, dass diese armen Geschöpfe in den Dschungel oder ins Meer laufen. Denn dann könnten wir ihnen ebensogut Schilder um den Hals hängen, auf denen steht ›friss mich‹.«
Ich lächelte in mich hinein, angesichts der Ironie, dass ein bösartiger und räuberischer Mordgeselle sich um die Sicherheit der sanften und unschuldigen Geschöpfe der Tierwelt sorgte. Aber er hatte recht. Die Tiere dort kannten keine Furcht. Sobald er mich wieder sichtbar gemacht hatte, hatten sich Wildtiere, Giraffen, Kühe und seltsame keilschwänzige Stachelschweine hoffnungsvoll schnüffelnd um mich gedrängt, und ich bedauerte es ein wenig, dass ich nicht einen Beutel mit Brot oder Bananen für sie dabeihatte. Allerdings schreckten sie alle vor Criminy zurück, und ein Lama spuckte sogar nach ihm.
»Das Blud kann ich nicht verbergen«, meinte er mit einem Schulterzucken.
Ich schob mich an den hungrigen Tieren vorbei, und wir steuerten geradewegs auf das Hauptgebäude zu, ein zweistöckiges Herrenhaus, das aussah, als sei es direkt aus der amerikanischen Version eines malerischen Mexiko importiert worden. Weiße Mauern, Dachziegel in dunklem Orange, ein Brunnen im Hof. Es war wunderschön, von innen wie von außen. Aber nirgendwo eine Menschenseele. Nur Echos und Gruselatmosphäre. Die Obstschale auf dem Tisch war gefüllt mit frischen Mangos und Ananas, also war erst kürzlich noch jemand hier gewesen. Ich war zu misstrauisch, um davon zu essen, aber ich schöpfte eine Handvoll Wasser aus dem Brunnen, da mir plötzlich aufgegangen war, dass ich mich ganz ausgetrocknet fühlte.
Wir überprüften jedes Zimmer, Harpunen im Anschlag. Und wir fanden – niemanden.
Criminy durchsuchte die Wandschränke und sah unter den Betten nach. Ich stöberte durch Truhen, Kleiderschränke und alles, was womöglich irgendwelche Schätze enthalten konnte. Aber mein Medaillon war nirgends zu finden.
Als Nächstes versuchten wir es im Küchentrakt. Die Asche war noch warm, und an dem Bratspieß darüber hing eine einsame Fleischkeule, vollkommen verbrannt.
Dahinter erstreckte sich ein staubiges Feld mit einem hohen Turm, mehreren Eisenringen, die in den Boden eingelassen waren, und einem Windsack.
»Der Bastard hat einen Metallflieger«, stellte Criminy grimmig fest. »Kein Wunder, dass er uns ständig voraus ist. Mit einem lenkbaren Luftschiff sind es nur zwei Stunden bis nach Manchester.«
Ich fühlte mich, als hätte ich einen Schlag in den Magen bekommen.
»Von hier nach Manchester?«, stotterte ich. »Mein Medaillon ist jetzt wieder den ganzen Weg zurück in Manchester?«
»Beunruhige dich nicht, Liebes«, bat er sanft. »Wir holen es zurück.«
Er schloss mich in seine Arme, mit Harpune und allem, und ich schniefte und begann zu heulen. Wir wussten nicht, ob der alte Mann uns hereingelegt hatte, uns davongerannt war oder einfach rein zufällig die Insel verlassen hatte – aber zweifellos war er weit weg, und mit ihm das Medaillon.
Ich klammerte mich an Criminy, als sei er das Einzige zwischen mir und dem Wahnsinn. Vielleicht war er das auch. Er hielt mich fest, tätschelte mir den Rücken und flüsterte mir tröstend ins Ohr. Ich konnte nur an meine andere Welt denken und mich fragen, ob mein Körper noch in einem Krankenhaus war, und, falls ja, wie lange es gedauert hatte, bis meine stolze Großmutter schließlich aufgegeben und eine neue Schwester für die häusliche Pflege angestellt hatte. Was, wenn sie versuchte, allein aus dem Bett zu steigen, und sich dabei die Hüfte brach? Und wer fütterte Mr Surly? Aber ich würde nicht tatenlos hier herumsitzen und mich bemitleiden. Ich musste handeln. Also nahm ich das Taschentuch, das mir Criminy anbot und putzte mir erst mal die Nase.
»Da muss doch irgendwo ein Hinweis sein«, sagte ich zwischen zwei Schnäuzern. »Es muss noch etwas geben, was wir tun können.«
»Wir können essen und schlafen«, meinte er. »Denn, egal wohin er verschwunden ist, wir werden ihn heute nicht mehr erwischen. Da können wir uns ebensogut auch trocknen und ausruhen.« Er stupste mich am Kinn. »Und deinen Allerwertesten etwas vom Ritt ausruhen lassen, eh?«
Aber ich war noch nicht fertig. Da war noch ein Gebäude auf der anderen Seite des Landeplatzes, und ich platschte durch den Sand und hinterließ nasse Fußabdrücke. Criminy kam an
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