Blutland - Von der Leidenschaft gerufen
so nahe war, dass ich das glänzende Gold hätte berühren können.
Die Tür hinter uns öffnete sich unvermittelt, und die geschäftige Empfangsdame geleitete noch ein Pärchen in den Saal. Hinter ihnen fegte ein Windstoß herein, als die Tür zuschlug, und ließ meine Röcke rascheln. Tabitha erstarrte, und bevor ich reagieren konnte, wirbelte sie herum und krallte mit ihren behandschuhten Händen durch die Luft. Ich versuchte, zurückzuspringen, aber es war schon zu spät: Ihre Hände bekamen die Rüschen meines Kleides zu fassen, und sie kreischte triumphierend auf.
»Ich habe sie!«, rief sie. »Die Party ist vorbei!«
Master Holofernes sprang auf, als sei er eigentlich ein viel jüngerer Mann und rang mit meiner unsichtbaren Gestalt darum, mir die Hände hinter dem Rücken festzuhalten. Criminy konnte ich nicht sehen, aber ich hoffte, er war bereits sicher versteckt und plante meine Rettung.
Ich wehrte mich und stampfte Master Holofernes kräftig auf den Stiefel. Ein Aufschrei mit der Stimme eines jungen Mannes kam aus seinem Mund: »Sie hat mich getreten! Das Bludliebchen hat mich getreten, Tab!« Und dann verpasste er mir eine so kräftige Ohrfeige, dass ich Sterne sah. Ich nahm an, dass Criminy nicht der einzige Magier war, der Verkleidungszauber beherrschte.
»Ich habe den anderen. Es ist unser neuer Gast, Mr Fester!«, rief die redselige Empfangsdame von irgendwo außerhalb meiner Sicht.
Wie es aussah, hatte das Miststück gewonnen.
***
Zurück in unserem Zimmer sah ich zu, wie zwei Coppers unser Bett umwarfen und durch Criminys Säckel stöberten, in dem sich aber lediglich Kleidungsstücke zum Wechseln und ein paar Phiolen mit Blut befanden. Ich fragte mich, ob irgendwelche davon von mir waren.
Criminy stand in stolzer Haltung zwischen zwei weiteren Coppers. Er sah noch immer aus wie Rafael, und sie hielten seine Altmännerarme fest hinter seinem Rücken. Ich wurde genauso festgehalten. Offenbar hatte man in dieser Welt noch keine Handschellen erfunden. Draußen tobte der Sturm, als die schweren Wolken endlich ihr Gewitter freisetzten.
Rafael schaute unbestimmt in meine Richtung und streckte mir die Zunge heraus. Mir erschien das als ein merkwürdiger Zeitpunkt für Unhöflichkeiten, und ich erwiderte die Geste, bevor mir wieder einfiel, dass er mich ja nicht sehen konnte. Dann machte er dasselbe noch einmal, nur langsamer. Wie eine Schlange.
Ach ja! Ich hatte Uro um mein Handgelenk ganz vergessen. Die Copper, die meine Arme festhielten, wussten wahrscheinlich nicht, dass ich meinen eigenen unsichtbaren Uhrwerkbeschützer hatte. Ich tastete an dem Armband entlang und drückte auf die Kopfschuppe. In diesem Augenblick kam noch ein Copper dazu, mit einem dünnen, aufgerollten Seil über dem Arm.
Verflixt .
Tabitha hielt kurz in ihrem Stöbern durch unsere Sachen inne und zischte: »Was ist? Fessle sie, Idiot.«
Rafaels Augen wurden schmal, als er das Seil erblickte, aber Tabitha lachte und sagte: »Wenn du abhaust, stirbt sie. Ich werde sie höchstpersönlich aussaugen.«
Das genügte, um ihn trotz seiner rasenden Wut stillhalten zu lassen, während sie seine Arme fesselten. Ich hegte die Hoffnung, dass er nicht nur ein Magier, sondern auch ein Entfesslungskünstler sein möge, denn ich war gerade dabei, einen Plan zu entwickeln. Aber ich wusste nicht, ob ich uns beide retten konnte.
Danach kam der Copper mit dem Seil zu mir, und schaute verwirrt drein. Wie genau fesselt man eigentlich eine unsichtbare Frau? Aber er konnte sehen, wo sein Kamerad meine Arme festhielt, also visierte er die Stelle an. Ich hielt die inzwischen entrollte Schlange und wartete ab. Das Timing musste genau passen; er konnte nicht wissen, was ich da machte.
»Du, Rotrock, lass dich beißen«, sagte ich ruhig, allerdings mit einer besonderen Betonung auf einzelnen Wörtern.
Was ich damit eigentlich sagte, war: »D-URO-trock, lass dich BEISS-en.«
Es klang albern – aber es funktionierte. Die kleine Schlange schlug zu, kalt, hart und schnell. Ich holte sie zurück, während der attackierte Copper aufschrie und anfing herumzuhopsen und in die Luft zu schlagen.
Sein bizarres Verhalten lenkte die beiden anderen Copper ab. Ich riss meine Arme los und stürzte mich auf Tabitha, die sich gerade irritiert umdrehte. Ich riss ihr das Medaillon über den Kopf, rannte zur Tür, warf sie auf und sauste hinaus ins Treppenhaus. Hinter mir hörte ich den Tumult, und ich konnte mir vorstellen, dass Criminy alles tat, was er
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