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Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Titel: Blutland - Von der Leidenschaft gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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Samtvorhänge umrahmten die Fenster und Türöffnungen, und in den Ecken gammelten kränklich aussehende Topfpflanzen vor sich hin. Auf jedem Tisch stand eine Art Grill mit Gefäßen darauf, in denen kleine Phiolen mit Blut warmgehalten wurden.
    Die Leute waren noch interessanter – natürlich alles Bludleute. Männer und Frauen jeden Alters in typisch farbenfroher Kleidung, die sich in kleinen Grüppchen unterhielten. Ein paar der wohlhabenderen Gäste hatten Uhrwerke, darunter Affen, kugelförmige Schlangen – manche größer, manche kleiner als mein Uro – und ein wunderschöner Pfau mit Juwelen. Rafael steuerte auf eine Gruppe älterer Männer zu, die Poker spielten. Ich schlenderte in eine Ecke hinter ein paar Dandies, die Billard spielten.
    Zeit zu spionieren.
    In der Nähe stand ein ganzes Damenkränzchen in eleganten Kleidern und plauderte über die neueste Mode in Kopfbedeckungen und Bändern. Nicht hilfreich. Auf einer Couch etwas abseits von ihnen saß ein altmodisch gekleidetes Pärchen mittleren Alters und nippte in verträumtem Schweigen Blut aus Cognacgläsern. Gesprächsfetzen trieben an mir vorbei, aber ich konnte den Worten nichts Bedeutsames entnehmen.
    Stattdessen konzentrierte ich mich darauf, den Saal nach Hinweisen abzusuchen. Es gab Gemälde, aber die zeigten größtenteils Landschaften mit Bludrössern und Fuchsjagden – nur dass sich hier anstelle der Füchse Menschen furchtsam vor den Reitern versteckten. Bei keinem der kunstvollen Gemälde funkelten weiße Augäpfel durch Löcher in der Leinwand.
    Ich wollte gerade auf Zehenspitzen durch den Raum schleichen, als ich Master Holofernes entdeckte. Er saß in einem Ohrensessel, sein Gesicht teilnahmslos und dunkel. Er war einer der wenigen Leute, die nicht aus einem Cognacglas tranken. Die Leute mieden ihn und warfen ihm sonderbare Blick zu, aber größtenteils ignorierte man ihn, also ignorierte ich ihn auch.
    Ich wartete, bis der junge Bludmann, der mir am nächsten stand, seinen Stoß gemacht und seinen Queue danach wieder abgesetzt hatte, und flitzte dann um den Billardtisch herum auf die andere Seite des Saales. An einem Cembalo saß ein junges Mädchen und stimmte eine traurige, sanfte Walzermelodie an. Ihre Musik würde es mir schwerer machen zu lauschen, also glitt ich an der Wand entlang zu einer Gruppe älterer Damen, die sich um ihre Teetassen drängten.
    »Es ist einfach nicht richtig«, sagte gerade eine alte Schachtel in einem Kleid, das abgetragen und schon seit einigen Jahrhunderten aus der Mode war. »Mein Cousin war in Brighton, er war Hutmacher, noch nicht einmal ein Fabriksklave. Seit zweihundert Jahren hat niemand in meiner ganzen Familie mehr direkt von einem Menschen getrunken. Und was ist der Dank dafür? Feuer.«
    »Still, Tavia«, zischte ihre Freundin und knuffte sie in die Seite. »So darfst du nicht reden.«
    »Ich bin ein zahlender Gast, und ich sage, was ich denke«, schniefte Tavia. »Außerdem sind wir hier doch unter uns oder etwa nicht?«
    »Es sind dunkle Zeiten«, meinte eine alte Dame mit einer bienenstockartig aufgetürmten Frisur aus weißen Locken, »und ich habe die Absicht, sie zu überleben. Wieder einmal.« Sie stand auf und stolzierte mit schwingenden, gepolsterten Hüften zu einem Bücherschrank.
    »Feiglinge«, murmelte Tavia.
    »Uns bleibt nichts anderes übrig, meine Liebe«, meinte ihre Freundin und tätschelte ihr die Hand.
    Ich hielt Ausschau nach Rafael und sah ihn, wie er versuchte, ein Gespräch mit Master Holofernes anzufangen, der allerdings nur leicht den Kopf schüttelte und schwieg. Rafael zuckte gutmütig mit den Schultern und steuerte auf das Cembalo zu, wurde aber von der redseligen Empfangsdame abgefangen, die ihn zum Imbisstisch drängte.
    Ich schlich näher, um der Unterhaltung zuzuhören.
    »Ich habe mein eigenes Blut von zu Hause mitgebracht, und ich habe auch schon getrunken, Miss«, erklärte Rafael. »Spare in der Zeit, so hast du in der Not, wie meine Mutter immer sagte.«
    »Aber Unsinn, Mr Fester. Sie haben Ihre Kupferlinge dafür bezahlt, so wie alle anderen auch, und Sie haben ein Recht auf Ihr Blut. Hatten Sie nicht gesagt, sie wollten sich etwas gönnen? Eine halbe Ampulle passt da doch ganz gut. Und außerdem wird Judith bald singen!«
    »Ich könnte wohl kaum –«, fing Rafael an, aber dann öffnete sich eine Tür, und er drehte sich dahin um und verstummte für einen Moment. Dann schluckte er und fuhr leiser fort: »Wirklich, ich kann nicht, Miss. Sie sind

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