Blutland - Von der Leidenschaft gerufen
Worte aus mir heraussprudelten und ich mir von der Seele redete, was in mir vorging.
»Ich weine nicht, weil ich traurig bin. Ich bin einfach nur so erleichtert. Wenn es immer hin und her geht, dann heißt das, dass ich meine Großmutter noch sehen werde. Ich hatte solche Angst, dass ich für immer hier gefangen bin, und meine Großmutter macht sich Sorgen um mich und trauert um mich und muss allein sterben. Aber es sieht so aus, als könnte ich beide Leben führen, auch wenn das überhaupt keinen Sinn ergibt, und ich irgendwann darüber vollkommen wahnsinnig werde.«
»Wahnsinn ist gar nicht so übel«, schmunzelte er. »Ich kenne eine Menge wahnsinniger Leute, und die kommen ganz gut zurecht.«
»Aber es gibt so viele Fragen«, schluchzte ich. »Wenn ich hier sterbe, sterbe ich dann auch dort? Was ist, wenn ich das Bewusstsein verliere, während ich Auto fahre? Was ist, wenn ich dort schlafe, und ein Patient stirbt, weil ich hier bin?«
»Ich weiß es nicht, Mäuschen. Aber ich werde versuchen, es herauszufinden. Ich habe ein paar alte Bücher, in denen ich nachsehen kann«, meinte er. »Vielleicht ist so etwas schon einmal vorgekommen.«
»In meiner Welt gibt es keine Magie«, sagte ich. »Aber es gibt eine Krankheit namens Narkolepsie. Die Menschen schlafen einfach so ein, egal, wo sie sind, ohne ersichtlichen Grund. Vielleicht sind diese Menschen dann hier. Vielleicht bin ich Narkoleptikerin.«
»Man könnte meinen, es ist das Beste aus beiden Welten – ganz ohne Ironie«, meinte er vorsichtig.
»Aber ich will die Wahl haben«, entgegnete ich.
Ich riss mich los und stolperte. Als er versuchte, mich zu halten, schlug ich seine Hand weg.
»Hör zu, ich habe ein Problem mit Beziehungen, Okay? Ich hatte einen Verlobten, und der hat mich beinahe kaputtgemacht. Er hat mich behandelt wie ein Kind oder eine Puppe. Er hat mich geschlagen. Ich war kaum mehr eine eigene Person. Und dann habe ich beschlossen, mich zu wehren und mich nie wieder kontrollieren zu lassen. Und jetzt sitze ich hier in der Falle.«
Er beobachtete meinen Ausbruch mit Besorgnis, Hände in den Taschen, und Mundwinkel herabgezogen. Ich wartete darauf, dass er mich unterbrechen und mir sagen würde, wie ich meine Probleme zu lösen hätte, so wie Jeff es getan hätte. Doch er hörte einfach zu.
»Was ist, wenn es mir hier besser gefällt? Hier ist alles ganz anders. Was, wenn ich mich die ganze Zeit, die ich dort verbringe, nach Sang sehne, und mich die ganze Zeit in Sang schuldig fühle, weil ich nicht zurück zur Erde will? Was ist, wenn ich anfange, jemanden gernzuhaben? Was, wenn ich anfange, dich gernzuhaben? Ich könnte mich nie dafür entscheiden, hier zu bleiben. Meine Großmutter braucht mich. Ohne mich wird sie aufhören zu kämpfen, sie wird einfach aufgeben und sterben. Und das würde mich zerreißen!«
Ich ließ mich zu Boden plumpsen, und der Rock meines Kleides bauschte sich um mich herum wie ein burgunderroter Pilz.
»Das ist nicht fair«, schniefte ich. »Ich kann nicht gewinnen.«
Er ließ sich neben mir auf den Boden fallen und sagte: »Ich erlaube mir, anderer Meinung zu sein, Liebes. Es ist fair, und du kannst gewinnen.«
»Wie bitte?«
»Du bist nur zu sehr daran gewöhnt, nach den Regeln zu spielen.«
»In meiner Welt passieren schlimme Dinge, wenn man sich nicht an die Regeln hält«, sagte ich.
»In meiner Welt, die jetzt auch halbwegs deine Welt ist, gibt es immer auch andere Wege. Schlupflöcher, Möglichkeiten, sich ein klein wenig durchzumogeln«, sagte er.
»Aber ich kann nicht nur ein klein wenig von einer Welt in die andere gehen. Ich habe keine Wahl.«
»Tja, so wie ich das sehe, hat niemand je groß eine Wahl; jeder ist gezwungen zwischen Welten zu leben, und du hast es sehr viel besser als die meisten. Und schließlich, wenn du keine Wahl hast, dann musst du dich in dein Schicksal ergeben, und das hat auch was Tröstliches.«
»Das klingt mir sehr nach in der Falle sitzen.«
»Nicht unbedingt«, meinte er. »Nimm mich, zum Beispiel. Ich trinke Blut. Aber ich bin gezwungen, in einer Welt zu leben, die meine Natur pervertiert und mich darauf reduziert, abgemessene Schlückchen aus einem kalten Glas zu nehmen, anstelle tiefer Schlucke heißen, pulsierenden Lebens. Denkst du, das ist einfach für ein Wesen? Es ist, als gäbe man dir ein Sandwich, gemacht aus einer Zwiebel und zwei Stück Pergament. Es hält dich am Leben, aber nur gerade so. Aber ich habe einen Weg gefunden, das Beste daraus zu
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