Blutland - Von der Leidenschaft gerufen
blendete ich sie jedoch einfach aus. Es gab einfach zu viel, worüber ich selbst nachdenken musste.
Sie machte schwungvoll die Tür zum Speisewagen auf und brach in freudiges Gekreische aus, als sie zwei andere Mädchen in einer Ecke sitzen sah.
»Bis später, Liebes!«, rief sie über die Schulter und trabte zu ihren Freundinnen. Die eine hatte einen Bart von eindrucksvoller Länge, war aber trotzdem irgendwie hübsch. Die andere war spindeldürr, hatte vorstehende Zähne und warf mir einen bösen Blick zu, als ich den Blick durch den Raum schweifen ließ. Criminy wartete schon in seinem Abteil auf mich und erwiderte meinen Blick mit einer hochgezogenen Augenbraue. Kein Zeichen von Casper. Darüber war ich ziemlich enttäuscht.
Nachdem ich mir mein Frühstück aus heißem Porridge, einigen kleinen Zitrusfrüchten und einer fremdartigen bernsteinfarbenen Flüssigkeit zusammengestellt hatte, führte er mich in sein Abteil und schloss die Vorhänge.
»Warum eigentlich die Vorhänge?«, wollte ich wissen. »Sieht das nicht eigenartig aus – wir essen im selben Raum wie alle anderen aber verstecken uns dabei in einem Zelt?«
»Das meiste von dem, was wir bereden, ist geheim, Liebes«, meinte er und nippte an seinem Blut. »Und es ist nicht gut für mich, den anderen zu nahe zu kommen. Ich muss die Kontrolle behalten. Wenn sie erst mal sehen, wie ich Liebeslieder für dich trällere, dann bin ich erledigt.«
Er warf mir ein blutiges Grinsen zu, die Sorte, die Emerlie wahrscheinlich würgen ließ, aber mir machte es nichts mehr aus.
»Also, letzte Nacht?«, meinte er fragend.
»Ich war wieder in meiner realen Welt. Mein Wecker hat geklingelt, mein Kater hat geschnurrt. Es war, als würde ich an einem normalen Morgen aus einem normalen Traum aufwachen.«
»Aber du warst müde?«
»Ja, ganz erschöpft. Bin ich immer noch. Kein Schlaf. Wahrscheinlich werde ich bald anfangen durchzudrehen.«
Er winkte nur ab. Ich pustete in meinen Porridge und probierte einen Löffel voll.
»Wir müssen einen Weg finden, wie du schlafen kannst, ohne in deine andere Welt zu gehen«, sagte er zu sich selbst. »Vielleicht ein Schlafzauber?«
»Wäre einen Versuch wert«, sagte ich. »Solange du weißt, was du tust.«
»Ich weiß genau, was ich tue«, gab er mit einem brennenden Blick zurück, der mich beunruhigte.
Tastend nahm ich mir eine der kleinen Zitrusfrüchte. Sie war glatt und goldfarben. Ich drückte die Daumen hinein, und roter Saft quoll auf meine Handschuhe und tropfte auf den Tisch.
»Oh, was ist das?«, rief ich aus und suchte nach einer Serviette.
»Das ist eine Tangerine, Liebes«, sagte er. »Ich dachte, du kennst sie.«
»Aber sie ist innen ganz rot«, sagte ich und tupfte meinen Ärmel ab. »In meiner Welt sind sie nicht so dunkel und klebrig.« Ich seufzte. »Noch mehr Blut.«
»Zum Teil hast du recht«, sagte er, zog die Handschuhe aus und nahm mir die Frucht ab.
Zum ersten Mal sah ich seine Hände: Sie waren schwarz und schuppenbedeckt wie die von Mrs Cleavers, mit gestutzten weißen Klauen, irgendwas zwischen Fingernägeln und Krallen. Ich hätte angeekelt sein sollen, aber ich war es nicht. Tatsächlich waren sie ziemlich hübsch, und auch noch effektiv, als er erst die Schale damit aufschlitzte und dann die köstlichen roten Fruchtspalten herausholte, und das mit weit weniger Sauerei, als ich verursacht hätte.
Er steckte sich eine Spalte in den Mund und saugte daran. »Tangerinen sind das Einzige außer Blut, was ich gerne esse. Schmeckt ein wenig wie Blut, nur süßer. Ist nicht so nahrhaft, wohlgemerkt, aber besser als nichts.«
»Wie Süßigkeiten«, sagte ich lächelnd.
Er erwiderte das Lächeln, schluckte das Stück Frucht hinunter und hielt mir ein anderes Stück hin. »Ja, ein wenig wie Süßigkeiten. Probier mal.«
Sein Blick forderte mich heraus, also steckte ich mir das Stück in den Mund. Ich war auf das Schlimmste gefasst, aber es schmeckte tatsächlich angenehm, wie eine Mischung aus reifer Kirsche und Mandarine.
»Köstlich«, sagte ich. »Aber es macht ziemliche Flecken. Meine Handschuhe sind ruiniert.«
»Du bist selbst ein wenig wie eine Tangerine, Letitia«, meinte er nachdenklich und spielte mit der geringelten Schale. »Süß, faszinierend, reif und saftig. Aber nicht ganz, was du zu sein scheinst. Immer noch ein wenig wie in einem Panzer.«
»Willst du damit sagen, ich bin erst ausgezogen anziehend?«, fragte ich, und dann fing ich an zu kichern, und er fiel mit
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