Blutland - Von der Leidenschaft gerufen
Viertel der Bludleute, um mit einem alten Kollegen von mir zu reden.«
»Ich möchte nur nicht noch mehr Überraschungen erleben«, meinte ich und kam mir dabei etwas kratzbürstig vor.
»Das wirst du ohnehin«, sagte er. »Du kannst dich ebenso gut gleich darauf einstellen.«
Damit zog er mich einfach weiter mit sich, nun etwas langsamer, und meine Absätze rutschten im Dreck auf dem Kopfsteinpflaster. Von Zeit zu Zeit drückte er mich gegen eine Wand, wenn ein Gespann ohne Pferde so nah vorbeifuhr, dass nur Zentimeter zwischen uns und der tuckernden Maschine blieben. Wie bei dem Motorwagen im Wanderzirkus quollen auch bei den Fuhrwerken Maschinenteile und Röhren dort hervor, wo sich eigentlich die Pferde befinden sollten. Die Fahrer kauerten auf wackeligen Sitzbänken und zogen an Hebeln herum; sie alle trugen Fliegerkappen und Fliegerbrillen und steuerten durch die engen Straßen, ohne groß Rücksicht auf Fußgänger zu nehmen.
Kein Wunder, dass die Luft so versmogt war – die Motoren stießen grünen Dampf auf der einen und grauen Rauch auf der anderen Seite aus. Das Nichtvorhandensein von Pferdemist war ein Vorteil, aber die Maschinen bewirkten eine gewisse gleichgültigkeit: Wenn man von einem Pferd getreten wurde, dann war das persönlich. Aber wenn man von einem pferdelosen Fuhrwerk verletzt wurde, dann war ihm das egal, und der Fahrer fuhr einfach weiter, während die hochnäsigen Gesichter hinter den Fenstern sich einfach wegdrehten.
Wir schritten eine breite Straße entlang, als wir an zwei Damen vorbeikamen. Sie waren teuer gewandet und trugen hohe Plateaustiefel und fremdartige rosafarbene Brillen. Ihre dadurch pink getönten Augen schossen Blitze in meine Richtung ab, und die ältere der beiden zischte: »Bludflittchen.« Ich spürte, wie Criminy sich anspannte und die Zähne fletschte, aber ich ging weiter und zog ihn mit mir, bevor er versuchen konnte, meine Ehre zu verteidigen.
Bei der nächsten Abzweigung, die größer als ein Abflussgraben war, bog er rechts ab und murmelte: »Das ist genug Hauptstraße.«
Wir bogen in eine Gasse ein, in der es überall Lebensmittel zu kaufen gab: Metzgereien, Bäckereien und Weinläden standen offen, während hier und da ein Karren glanzloses Obst und Gemüse feilbot. Kein Wunder, dass die Leute alle entweder kränklich oder rotgesichtig aussahen – sogar die grünen Lebensmittel waren nicht grün. Der Brokkoli war grau, und die Äpfel waren so dunkelgelb wie abgestandener Urin. Die gesamte Farbpalette der Pflanzen reichte von weißlich-gelb bis gelblich-braun.
Aber das Brot duftete himmlisch, das musste ich zugeben. Und der Kaffee. Und etwas, das aus einem Laden mit der Aufschrift Schokovanerie zu uns wehte. Ich ging langsamer und schnupperte.
»Lass das lieber bleiben, Mäuschen«, sagte Criminy und zog mich weiter. »Warte, bis wir wohin kommen, wo es gesünder ist. Das Zeug hier ist alles Fake.«
»Was ist Fake?«
»Imitate«, erklärte er knapp. »Keinerlei Nährwert. Hergestellt aus gemahlenem Schrot und Aromastoffen, manchmal sogar Sägespänen. Das ist alles, was sich die Armen leisten können. Dieses Gemüse da ist halb verfault.«
Und dann roch ich es auch: die latente Fäulnis, die von den Körben ausging. Ich rieb meine Nase an Criminys Schulter in dem Versuch, den Gestank mit dem Duft von Beeren zu übertünchen.
Bei der nächsten großen Kreuzung wollte er erst links abbiegen, wich dann aber hastig zurück, als er einen Copper auf einem Bludross sah, der dort Wache stand. »Wohngebiet«, sagte er. »Ich würde sie nur nervös machen.«
So gingen wir weiter, vorbei an Buchhändlern, Webern und Tierhandlungen voller zerzauster Elstern und kleiner kläffender Hunde. Wir wanderten durch arme und reiche Straßenzüge, vorbei an Bettlern, Fürsten und Coppers. So langsam bekam ich Kopfschmerzen vor Hunger und Durst, von den überwältigenden Gerüchen, und meine Augen hatten so viel Neues gesehen, dass ich schon kaum mehr geradeaus gucken konnte.
»Mr Paisley«, bat ich schwach, »vergessen Sie nicht, Ihre Hauspinkie zu füttern.«
Er blieb stehen, um mich liebevoll anzusehen und murmelte: »Tut mir leid, Liebes. Ich war so damit beschäftigt, dich in Sicherheit zu bringen, dass ich ganz vergessen habe, wie deinesgleichen ohne Speis und Trank dahinwelkt.«
Er schnupperte und bog um ein paar Ecken, bis wir in einem helleren und insgesamt wohlhabenderen Teil der Stadt gelangten. Als er an einem leuchtend grünen Karren haltmachte, bei
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