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Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Titel: Blutland - Von der Leidenschaft gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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dem ganzen Aufruhr wird niemand Notiz von uns nehmen, vor allem die Copper nicht. Es wird umso leichter sein, ein Boot zu stehlen und sich davonzumachen.«
    Seine Beine hinter mir drängten unsere Stute zum Galopp. Wir erklommen die Spitze des Hügels, und die Stadt tauchte unter uns auf, ein grauer Fleck in der Landschaft. Sie breitete sich aus wie ein platt gedrücktes Manchester, war aber genauso hässlich. Smog hing elend über allem. Donner grollte im schweren Himmel, und violette Blitze zuckten zwischen wütenden schwarzen Wolken.
    »Tatsächlich«, meinte er sinnend, »spielt uns dieser Aufruhr genau in die Hände. Es sollte einfach sein, zum Hafen zu kommen.«
    Auf einer Felsnase stand ein schwarz-weiß gestreifter Leuchtturm Wache; seine Lampe drehte sich langsam und leuchtete über die Stadt und das Meer. Darunter wogten Schiffe in einem dunklen, grauen Hafen. Schon erstaunlich, diese eigenartigen Widersprüche aus Technologie und Anachronismen in dieser Welt. Riesige, hölzerne Dreimaster-Piratenschiffe lagen neben glänzenden Messingfußbällen wie aus 20 000 Meilen unter dem Meer .
    »Welche Sorte Schiff willst du stehlen?«, fragte ich.
    »Etwas, das größer ist als ein Schlauchboot, aber klein genug, um nur von uns beiden gesteuert zu werden«, sagte er. »Ich glaube nicht, dass du in diesem Kleid die Takelage hochklettern möchtest. Ein U-Boot wäre ideal.«
    »Du kannst ein U-Boot steuern?« Inzwischen wusste ich gar nicht mehr, warum ich eigentlich überrascht war.
    »Wie schwer kann das schon sein?«, fragte er zurück. »Ich kann den Motorwagen des Wanderzirkus fahren. Das kann nicht viel schwerer sein. Ist ja nicht so, als wäre es ein verdammter Zeppelin.«
    Inzwischen waren wir nahe genug, um die riesigen Tore in der Mauer von Brighton zu sehen. Sie hatten ein stacheliges, mittelalterlich aussehendes Fallgitter, und ich war mehr als froh darüber, dass ich nicht hindurchmusste.
    »Festhalten, Süße«, warnte Criminy und zog Erris’ Kopf nach rechts. Sie warf den Kopf hoch, gehorchte aber, bog vom festgetrampelten Weg ab und fand dann in den weichen Gräsern der Moore zu ihrem schnellen Rhythmus zurück. Eine Bilderbuchansammlung von Bludhäschen schreckte auf und suchte unter Fauchen und Kreischen Deckung, als die riesigen Hufe ganze Grasbüschel aus ihrer ländlichen Wiese aufwarfen. Ich lachte.
    Wir ritten in Richtung Hafen. Aber ein Problem war da noch. Die hohe Mauer mit Stacheldraht obendrauf, genauso wie die in Manchester, reichte noch mindestens dreißig Meter ins Meer hinein. Und sämtliche Boote waren auf der anderen Seite der Mauer.
    »Ähm, Criminy? Wie kommen wir an der Mauer vorbei?«, fragte ich.
    »Ich werde hinüberklettern«, erklärte er. »Und du wirst schwimmen. Du kannst doch schwimmen, nicht wahr, Mäuschen? Ich habe mir sagen lassen, für deinesgleichen sei es so leicht, wie sich einfach nur treiben zu lassen.«
    »Ich denke mal, ich habe keine andere Wahl«, stellte ich fest.
    Ich wollte das Medaillon mehr als alles, was ich je gewollt hatte. Ohne es war mein altes Leben Geschichte. Ich würde meine Großmutter nie wiedersehen. Und, gemäß meinem eigenen Versprechen, müsste ich dann vielleicht auch Criminy verlassen und in einer dieser erbärmlichen Städte leben, beherrscht von den Coppers und ihrem Anführer, einem Mann, der mir alles genommen hatte, was ich liebte. Und noch dazu wollte ebendieser Mann mein Medaillon benutzen, um Tausende von Leuten zu töten, Leute die er zu Unrecht als Monster betrachtete, Leute, die freundlich zu mir gewesen waren. Leute wie Criminy. Ich beobachtete die dunklen Wellen, wie sie gegen die Mauer schlugen, und atmete den salzigen Wind ein.
    »Ich kann das«, versicherte ich mir.
    »Du kannst das«, stimmte er zu.
    In meinem korsettgeschnürten Bauch formte sich so langsam ein kleiner Ball aus massiver Furcht. Ich konnte in diesem Aufzug ja kaum laufen, und nun sollte ich auch noch schwimmen. Was war mit Wellen, Strömung, Treibgut, Felsen, Blitz, Mauer? Welche Tiere mochten in dem schäumenden Salzwasser lauern? Waren Killerwale hier tatsächlich Killer?
    Vollkommen egal. Ich würde es tun, so oder so.
    Criminy trieb Erris an. Sein Arm um meine Taille war wie ein Anker für mich, der mich in der Welt festhielt, als wir auf die Mauer zugaloppierten. Bestimmt konnte er meine Panik spüren. Wie kam es, dass er so ruhig und gefasst wirkte? Die Schwimmerei würde nicht leicht für mich werden, aber er hatte eine Mauer zu überklettern,

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