Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutleer

Blutleer

Titel: Blutleer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
Vom Netzwerk:
wenn er auf die Details zu sprechen kam.
    Barbara legte den Bericht angeekelt beiseite und speicherte ihre wenigen bereits geschriebenen Sätze ab. Wie lange, fragte sie sich, würden diese Erinnerungen bei Hirschfeld vorhalten? In Freiheit hätte er vielleicht längst wieder gemordet. Aber warum in aller Welt hatte er sich selbst gestellt? Irgendetwas passte da nicht zusammen, und Barbara musste darüber nachdenken. Sie war froh, bei Jakubian doch noch etwas Zeit herausgeschlagen zu haben.
    »Bist du fertig für heute?«, fragte Thomas plötzlich.
    »Nicht wirklich.« Barbara fuhr den PC herunter. »Ich komme nicht weiter.«
    Sie sah auf die Uhr. »Ich denke, ich gehe schlafen.«
    »Tu das.«
    Sie spürte, wie Thomas ihr bedauernd nachblickte, als sie die Treppe hinaufstieg.
    Als Barbara am nächsten Morgen auf dem Weg nach Duisburg war, ging ihr das Frühstück mit Thomas nicht aus dem Kopf. Sie hatten nur wenige Worte gewechselt, aber das war nichts Ungewöhnliches. Früher hatten sie nie viele Worte gebraucht. Ein paar Blicke, manchmal nicht einmal das. Trotzdem kam es Barbara im Rückblick so vor, als hätten sie ein nie endendes Gespräch miteinander geführt. Schon seit einiger Zeit war das anders, aber es war Barbara nie so bewusst geworden wie an diesem Morgen: Jetzt schwiegen sie nicht, weil sie sich auch ohne Worte verstanden, jetzt hatten sie sich nichts mehr zu sagen. Diese Erkenntnis war hart, Barbara schnappte fast nach Luft, so sehr schockte sie das. Und mehr noch die Tatsache, dass es ihr erst jetzt so plötzlich auffiel. Sie hielt abrupt am Parkplatz einer Gaststätte bei Froschenteich und ließ die Scheiben herunter. Die Morgenluft war noch etwas kühl, und sie atmete sie gierig ein. Irgendwo in ihr begann ein Schmerz, der nichts mehr zu tun hatte mit der Tatsache, dass Thomas sie betrogen hatte. Vielleicht konnte die Paartherapie ihnen helfen. Aber zunächst half nur eines: Arbeit. Mit Arbeit konnte sie alles betäuben. Das war schon immer so.
    Im Polizeipräsidium wartete Jakubian schon auf sie. »Gibt es etwas Neues?«, fragte sie. Irgendetwas lag in der Luft, das konnte sie genau spüren. Heyer und Kramer saßen bei Jakubian, und gerade kam Staatsanwalt Roters herein, der offensichtlich auf der Toilette gewesen war, weil er sich gerade hektisch den Reißverschluss zuzog, als er Barbara bemerkte.
    »Herr Roters will den ganz großen Zirkus.« Jakubians Stimme klang sarkastisch und ein bisschen resigniert. Offenbar hatte er vergeblich versucht, der Staatsanwaltschaft diese Aktion auszureden.
    »Wir können nicht nur mit dem Geständnis und den Ergebnissen der Spurensicherung arbeiten, Herr Jakubian.« Roters setzt sich auf Jakubians kleinen Schreibtisch. »Ich weiß, dass Sie eigentlich zu wenige Leute haben, aber die Staatsanwaltschaft braucht Zeugen. Zeugen, die gesehen haben, wie Hirschfeld ein Opfer griff oder sich ihm näherte.«
    »Soweit ich weiß, war er peinlich darauf bedacht, dass es keine Zeugen gibt«, unterbrach ihn Barbara. »Außerdem hätte sich ein Zeuge nach den Presseberichten der letzten Wochen bestimmt von selbst gemeldet.«
    »Deshalb werden wir einen Schritt vorher ansetzen.« Roters ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Eines wissen wir: Die einzige Gemeinsamkeit der Opfer ist, dass sie mit der S-Bahn unterwegs waren. Genauer gesagt, mit der S 1 zwischen Düsseldorf und Dortmund. Herr Heyer hatte mit der Duisburger Mordkommission bereits Befragungen in dieser Richtung durchgeführt.«
    »Wir haben Menschen befragt, die mit Julia gewöhnlich morgens in der S-Bahn unterwegs waren. Die wie sie immer zur gleichen Zeit am Duisburger Hauptbahnhof einstiegen und ebenso nachmittags in Essen-West zurück nach Duisburg fuhren«, erklärte Heyer.
    »Ja, und das war ein guter Ansatz«, meinte Roters. »Allerdings wollen wir noch einen Schritt weitergehen. Wir werden Befragungen in der S-Bahn machen, zu den Zeiten, in denen die Opfer gewöhnlich unterwegs waren. Auf diese Weise erfassen wir auch Leute, die an anderen Bahnhöfen einstiegen.«
    Barbara sah ihn entgeistert an. »Das heißt, morgens und abends beziehungsweise nachmittags bei fünf Opfern jeweils in einem Zeitfenster von, sagen wir, drei Bahnen?«
    Jakubian seufzte. »Das bindet die komplette Soko mehrere Tage lang. Und bringt rein gar nichts. Hirschfeld fuhr S-Bahn, das wissen wir. Mehr werden wir dadurch nicht erfahren.«
    Roters verdrehte die Augen. »Darüber haben wir seit letzter Woche diskutiert, Herr Jakubian.

Weitere Kostenlose Bücher