Blutlinie der Götter: Die Berrá Chroniken Band 1 (German Edition)
haben. Jeder wusste, dass es besser war den Lord in diesem Augenblick nicht zu reizen. Sein schwerer, dunkler Samtumhang ließ ihn wie einen vorbeiziehenden Schatten wirken. Vorbei an dem prunkvollem Teezimmer, in welchem Medehan immer die Abgesandten der anderen Fürstentümer empfing, dem Lesezimmer, das vor kurzem um einige Regale erweitert wurde und der Leibküche des Lords, ging es im Eiltempo in die Untergeschosse der alten Festung. Vor ungefähr einem Jahr hatte man damit begonnen die bisher ungenutzten Anbauten instand zu setzen. Die Arbeiter mussten Tag und Nacht schuften, um bröckelndes Mauerwerk auszutauschen, mit Pflanzen überwucherte Außenwände zu säubern und jede Tür mit einem abschließbarem Schloss zu versehen. Alte Räume, die seit Jahrzehnten keine Verwendung fanden, wurden von den Mägden gründlich geputzt, ehe man dort auserlesene Möbelstücke und wertvolle Gemälde, sowie edle Kerzenleuchter und ähnliches unterbrachte. Man könnte meinen, dass die Burg nur von Fürsten und anderen Edelleuten bewohnt war, so wie die Zimmer im Glanz des Prunks erstrahlten. Cran Molok hatte für solcherlei Prahlerei nicht viel übrig. Ihn seinem Zimmer gab es nur eine spärliche Einrichtung und er hätte dies auch nicht ändern wollen. Jedes Möbelstück hatte seinen Nutzen. Ein Bett zum Schlafen, einen Schrank für Kleidung, eine Kommode für persönliche Dinge, eine alte Seemannstruhe und ein stabiler Waschtisch waren alles was man in seinen Räumlichkeiten vorfand. Nur aus Höflichkeit hatte er an einer der Wände ein Gemälde hängen, welches ihm der Lord vor einigen Monaten geschenkt hatte. Es zeigte das Bildnis eines Steinlöwen, der gerade Beute gerissen hatte. Medehan sagte, dass ihn das Tier an den General erinnerte. Natürlich nur im Guten gesehen. Dieses Geschenk abzulehnen wäre einer direkten Beleidigung gleichgekommen. Noch immer folgte Molok seinem Herrn durch die Gänge der Festung und fragte sich dabei insgeheim, woher das plötzliche Interesse des Lords an dem Erscheinungsbild der Burgzimmer gekommen war.
Inzwischen waren sie derart tief in die Gewölbe der Festung gestiegen, dass ihnen, mit Ausnahme einiger Wachen, niemand mehr über den Weg lief. Molok hatte sich seit seiner Amtseinsetzung mit der Burg seines Herrn vertraut gemacht. Im Falle einer Belagerung war es immer gut zu wissen wie stark die Mauern waren oder ob es Geheimgänge gab. Hier kam ihm allerdings nichts bekannt vor. Die Wände waren schmucklos und stellenweise sogar von Unkraut befallen. Die wenigen Fackeln, welche an der Wand hingen, waren zum Großteil nicht entzündet. So wie es aussah war dies auch schon eine längere Zeit her. Jetzt erst bemerkte Cran Molok etwas Auffälliges an den Wachen, die in diesen Gängen Dienst schoben. Sie alle trugen eine durchgehend dunkelgraue Robe über ihren Kettenhemden. Außerdem waren ihre Gesichter durch Tücher verdeckt.
Was geht hier vor? Wer sind diese Männer und warum habe ich keine Kenntnis davon was sie hier unten tun?
Molok zögerte. Sollte er Lord Medehan auf die vermummten Wachen ansprechen oder würde ihm dies als ungebührliche Neugier ausgelegt werden? Da sein Herr im Moment etwas unberechenbar erschien, hielt er es für besser vorerst nichts zu sagen. Er würde seine Antworten schon noch früh genug erhalten. An einer schmiedeeisernen Gittertür war der Weg zu Ende. Der stämmige Krieger konnte erkennen, dass sich hinter dieser Pforte ein dicker roter Vorhang befand, welcher eine direkte Sicht in den dahinterliegenden Raum vermied. Mit einem Mal nahm er einen sehr intensiven Geruch war. Er erkannte eine Mischung aus Weihrauch und Schwefel. Doch da war noch etwas anderes. Etwas, dass er schon seit vielen Jahren nicht mehr gerochen hatte. Es roch süßlich und mild. Ihm wollte einfach nicht einfallen was es war.
„Nach euch, mein lieber General.“
Der Ausdruck von Vorfreude auf Medehans Gesicht, ließ Molok nichts Gutes erhoffen. Genauso lächelte einem ein Meuchler ins Gesicht, kurz bevor er einem den Dolch in den Rücken treibt. Doch was sollte er schon tun? Sollte er die Aufforderung ignorieren und seinem Herrn gestehen, dass er Angst davor hatte hinterrücks erdolcht zu werden?
Cran atmete tief ein und durchschritt die Pforte. Hinter sich hörte er wie sie wieder geschlossen wurde. Zu seiner Überraschung war der Lord ihm gefolgt, anstatt einfach das Gitter hinter ihm zu schließen.
„Geht nur weiter, mein Freund. Durch den Vorhang. Dort gibt es mehr Licht
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