Blutlust
Vampire … aber bis eben hatte ich auch nicht daran geglaubt, dass jemand mitten im New York der Neuzeit in einem modernen Loft eine geheime Folterkammer hatte … mit Schafott!
Die Stimme der Wissenschaftlerin in mir zeterte gegen solche Gedanken an; aber ganz zum Schweigen bringen konnte sie sie auch nicht. Deshalb forderte sie: Verschaff dir Gewissheit!
Und ich wusste auch schon, wie.
Ich verließ die Folterkammer, ließ das Regal auf seine alte Position zurückgleiten und ging hinüber zu dem Sektkühler.
Daneben lag die Stoffserviette, an der Max gestern Nacht, nachdem er sich an dem Korkennetz verletzt hatte, das Blut abgewischt hatte. Ich fasste sie an der Ecke und ging mit ihr in die Küche, wo ich einen Plastikbeutel fand, in den ich sie hineintat, ehe ich sie in meine Handtasche steckte.
Da hörte ich die Wohnungstür!
Ich drückte mich neben die Küchentür und spähte den Flur entlang ins Wohnzimmer. Es war Max.
Ich hielt den Atem an.
Er stand in der Mitte des Raums und schaute sich für zwei, drei lange Momente skeptisch um. Dann schnupperte er die Luft – wie ein witternder Wolf … und lächelte. Mir wollte das Herz stehenbleiben. Roch er mich etwa? Oder roch er nur meinen Duft von gestern Nacht?
Er ging zum Tisch und nahm sein Handy. Offenbar hatte er es vergessen und war deswegen zurückgekommen. Dann ging er und zog die Wohnungstür hinter sich zu.
Ich blieb noch einige Minuten wie angewurzelt stehen, am ganzen Leib zitternd. Erst als mein Herzschlag sich wieder einigermaßen normalisiert hatte, verließ auch ich die Wohnung.
– Kapitel 10 –
Nachforschungen
An der Uni suchte ich nach Jane.
Ich wollte, dass sie Max’ Blut untersuchte oder mir zeigte, worauf ich achten musste, wenn ich es selbst untersuchte. Nun ja, eigentlich wollte ich, dass sie bewies, dass Max ein ganz normaler Mensch war. Zwar einer mit Vorlieben für kranke sexuelle Praktiken und der verschrobenen Phantasie, ein Vampir zu sein, aber eben ein Mensch.
Ich war wie getrieben von dem Wunsch nach Gewissheit. Nachdem ich sie sowohl in der medizinischen als auch in der allgemeinen Bibliothek nicht gefunden hatte, suchte ich sie in den Hörsälen. Vergeblich.
Ich lief die Gänge ab und fragte die Leute, ob jemand sie gesehen hätte. Aber sie schien wie vom Erdboden verschluckt. Also ging ich ins Sekretariat und durchstöberte die Wohnliste der Studentenwohnheime. Nach einer weiteren halben Stunde war ich dann endlich fündig geworden. Aber als ich sie über das Hausnetz anwählte, ging keiner dran. Obwohl mir inzwischen die Füße weh taten, beschloss ich, zu dem Wohncamp hinüberzulaufen und persönlich nachzuschauen, ob sie vielleicht trotzdem zu Hause war.
Als ich dort im dritten Stock ihres Blocks ankam, war ich völlig außer Atem, und erst da wurde mir bewusst, dass ich förmlich dorthingerannt war. Meine Verzweiflung war offenbar doch um einiges größer, als mir bis dahin klar gewesen war.
Viermal musste ich klopfen, ehe sie mir überhaupt öffnete …
… und dann stand Jane im abgewetzten Jogginganzug vor mir wie ein Häufchen Elend. Ihr brünettes Haar war strähnig, sie hatte dunkle Ringe unter den Augen und einen gehetzten Blick. Aus dem Zimmer heraus roch es muffig.
»Was willst du denn hier?«, fragte sie mich mürrisch und wollte die Tür schon wieder zuschieben.
»Ich habe eine Probe von Max’ Blut«, stieß ich eilig hervor, um das zu verhindern.
Schlagartig hatte ich ihre volle Aufmerksamkeit. Allerdings schaute sie mich jetzt skeptisch forschend an.
»Wieso hast du deine Meinung geändert?«, fragte sie.
»Ich bin nicht sicher, ob ich sie geändert habe«, gestand ich. »Vielleicht will ich auch, dass wir beweisen, dass Max ein ganz normaler Mensch ist und alles andere ein Hirngespinst, eine kranke Phantasie.«
Ihr Blick wurde giftig. »Sinna, ich habe deinem Kerl gestern Nacht im Park dabei zugesehen, wie er meine beiden besten Freundinnen umgebracht hat. Abgeschlachtet trifft es eher. Er ist ein Killer. Und mehr noch – er ist ein Vampir. Wie oft muss ich das noch sagen?«
Das kann nicht sein , wollte ich sagen. Er hat die ganze Nacht mit mir verbracht . Aber ich schwieg. Schließlich hatte ich geschlafen … und dann war da noch der Traum.
»Aber mit der Blutprobe kann ich es beweisen«, sagte sie mit der Triumphsehnsucht eines Menschen, dem keiner glauben will. »Komm rein«, forderte sie mich auf. »Wir müssen ins Labor. Ich muss mich umziehen.«
Ich betrat das muffige Zimmer.
Weitere Kostenlose Bücher