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Blutmale

Blutmale

Titel: Blutmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Warme Luft säuselte aus dem Gebläse, und in einem Kühlfach standen Flaschen mit Mineralwasser und Wein, dazu eine Auswahl von frischem Obst sowie Käse und Cracker. Aber so komfortabel es auch sein mochte, für sie war es immer noch ein Gefängnis, denn sie konnte die Tür nicht öffnen. Splitterfreies Glas trennte sie vom Fahrer und dessen Begleiter auf den Vordersitzen. In den vergangenen zwei Stunden hatte keiner der beiden Männer sich auch nur ein Mal zu ihr umgedreht. Sie konnte sich noch nicht mal sicher sein, dass es überhaupt Menschen aus Fleisch und Blut waren. Vielleicht waren es nur Roboter. Ihre Hinterköpfe waren alles, was sie von ihnen zu sehen bekommen hatte.
    Sie drehte sich um und warf einen Blick durch das Heckfenster auf den Mercedes, der ihnen folgte. Hinter der Windschutzscheibe erkannte sie den Deutschen, der sie anstarrte. Sie wurde von drei Männern in zwei sehr teuren Autos Richtung Norden eskortiert. Diese Leute verfügten über beträchtliche Mittel, und sie wussten, was sie taten. Welche Chancen hatte sie gegen sie?
    Ich weiß nicht einmal, wer sie sind.
    Aber sie wussten, wer sie war. So vorsichtig sie all die Monate über gewesen sein mochte, irgendwie hatten diese Leute es geschafft, sie aufzuspüren.
    Die Limousine bog von der Schnellstraße ab. Offenbar war ihr Ziel doch nicht Florenz. Stattdessen fuhren sie nun durch eine ländliche Gegend, auf einer Straße, die sich in die sanf ten Hügel der Toskana hinaufwand. Es war schon fast dunkel, und in der heraufziehenden Dämmerung sah sie kahle Rebstöcke, die sich an windgepeitschte Hänge duckten, und zerfallende, längst verlassene Steinhäuser. Warum nahmen sie diese Strecke? Hier gab es nichts außer ein paar Gehöften mit brachliegenden Feldern.
    Vielleicht war genau das der Grund. Hier gab es keine Zeugen.
    Sie hätte dem Deutschen gerne geglaubt, als er gesagt hatte, sie würden sie an einen sicheren Ort bringen; so sehr hatte sie daran glauben wollen, dass sie sich vorübergehend von dem bisschen Luxus und Komfort hatte einlullen lassen. Jetzt, als die Limousine ihre Fahrt verlangsamte und in einen ungeteerten Privatweg einbog, spürte sie, wie ihr Herz gegen ihre Rippen schlug, und ihre Hände waren so feucht von Schweiß, dass sie sie an der Jeans abwischen musste. Es war jetzt dunkel genug. Sie würden mit ihr ein Stück aufs Feld hinausgehen und ihr eine Kugel in den Kopf jagen. Sie waren zu dritt, da würde alles schnell erledigt sein - eine Grube geschaufelt, die Leiche hineingerollt …
    Die Erde würde kalt sein, jetzt im Januar.
    Der Weg stieg an, wand sich zwischen Bäumen hindurch, und die Scheinwerfer der Limousine huschten über knorriges Gestrüpp. Einmal sah sie die Augen eines Kaninchens rot aufblitzen. Dann lichtete sich der Wald, und sie hielten vor einem eisernen Tor. Über einer Gegensprechanlage glomm das Auge einer Überwachungskamera. Der Fahrer ließ sein Fenster herunter und sagte auf Italienisch: »Wir haben das Paket.«
    Grelles Flutlicht erfasste sie, und nach einer Pause, in der die Kamera einen Schwenk über die Insassen des Wagens machte, öffnete sich quietschend das Tor.
    Sie fuhren hindurch, und der Mercedes, der ihnen von Rom bis hierher gefolgt war, blieb dicht dahinter. Erst jetzt, nachdem Lilys Augen sich wieder an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte sie die Silhouetten von Statuen und gestutz ten Hecken ausmachen, die die Auffahrt säumten. Und vor ihnen, am Ende des kiesbedeckten Wegs, erhob sich eine Villa mit hell erleuchteten Fenstern. Staunend beugte sie sich vor und betrachtete die Steinterrassen mit den riesigen Urnen, die Reihe hoher Zypressen, die sich wie Speere zu den Sternen emporreckten. Die Limousine hielt neben einem Marmorbrunnen, der trocken und still in seinem Winterschlaf lag. Der Mercedes parkte hinter ihnen, und der Deutsche stieg aus, um ihr die Wagentür zu öffnen.
    »Ms. Saul, gehen wir hinein?«
    Sie blickte zu den beiden Männern auf, die ihn flankierten. Diese Leute ließen es nicht darauf ankommen, dass sie ei nen Fluchtversuch wagte. Es blieb ihr keine andere Wahl, sie musste mit ihnen gehen. Die Beine steif von der langen Fahrt, stieg sie aus und folgte dem Deutschen, als er die Steinstufen zur Terrasse hinaufstieg. Ein kalter Wind fegte totes Laub vor ihre Füße, zerstreute es wie Asche. Noch ehe sie den Eingang erreichten, ging die Tür auf, und ein älterer Mann blickte ihnen von der Schwelle entgegen. Er sah Lily nur flüchtig an, um seine

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