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Blutmale

Blutmale

Titel: Blutmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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sie da sah. Wie lange war es her, dass sie sich zuletzt so richtig im Spiegel betrachtet hatte? Wann hatte sie sich in diese verwahrloste Kreatur verwandelt? Die ständige Flucht hatte ihren Tribut gefordert. Wenn du lange genug davonläufst, lässt du am Ende deine Seele zurück.
    Sie trocknete sich mit einem dicken Baumwollhandtuch ab, kämmte mit den Fingern das Haar zurück und band ihren Pferdeschwanz neu. Dieser reiche Schönling wartete darauf, sie zu vernehmen, und sie musste auf Draht sein. Ihm gerade so viel erzählen, dass er sich zufriedengab. Wenn er nicht weiß, was ich getan habe, dann werde ich es ihm ganz be stimmt nicht erzählen.
    Die Farbe kehrte in ihr Gesicht zurück. Sie hob das Kinn und sah das alte kriegerische Blitzen in ihren Augen. Ihre Freun dinnen waren beide tot. Sie war die Einzige, die noch übrig war. Helft mir, Mädels. Helft mir, das hier durchzuste hen . Sie holte tief Luft und verließ das Bad.
    Die beiden Männer musterten sie mit besorgten Mienen. »Es tut mir leid, dass ich Sie mit der Nachricht so überfallen habe«, sagte Sansone.
    »Ich will die Details wissen«, entgegnete Lily schroff. »Was hat die Polizei vorgefunden?«
    Ihre kühle Direktheit schien ihn aus dem Konzept zu bringen. »Die Details sind nicht sehr angenehm.«
    »Das hatte ich auch nicht erwartet.« Sie setzte sich aufs Bett. »Ich muss es einfach wissen«, sagte sie. »Ich muss wissen, wie sie gestorben sind.«
    »Dürfte ich Sie zunächst etwas fragen?«, meldete sich der Deutsche zu Wort. Er trat näher. Beide Männer standen jetzt direkt vor ihr und beobachteten ihre Miene. »Ist Ihnen die Bedeutung des umgedrehten Kreuzes bekannt?«
    Ein paar Sekunden lang vergaß sie das Atmen. Dann fand sie ihre Stimme wieder. »Das auf dem Kopf stehende Kreuz ist … Es ist ein Symbol, das die christliche Religion verhöhnen soll. Manche betrachten es als satanisches Symbol.«
    Sie bemerkte, wie Baum und Sansone überraschte Blicke wechselten.
    »Und was ist mit diesem Symbol?« Baum griff in seine Jackentasche und holte einen Stift und einen Zettel hervor. Rasch zeichnete er etwas darauf und zeigte es ihr. »Es wird manchmal das allsehende Auge genannt. Kennen Sie seine Bedeutung?«
    »Das ist Udjat«, sagte sie. »Das Auge Luzifers.«
    Wieder gingen Blicke zwischen Baum und Sansone hin und her.
    »Und wenn ich nun einen Ziegenkopf mit Hörnern zeichnete?«, fragte Baum. »Würde Ihnen das etwas sagen?«
    Sie fing seinen sanftmütigen Blick auf. »Ich nehme an, Sie meinen das Symbol des Baphomet? Oder des Azazel?«
    »Alle diese Symbole sind Ihnen vertraut.«
    »Ja.«
    »Wie kommt das? Sind Sie eine Satanistin, Ms. Saul?«
    Sie hatte Mühe, nicht zu lachen. »Wohl kaum. Ich kenne mich nur zufällig aus auf diesem Gebiet. Es ist sozusagen mein Steckenpferd.«
    »Ist Ihr Cousin Dominic ein Satanist?«
    Lily verharrte vollkommen reglos, die Hände in den Schoß gelegt.
    »Ms. Saul?«
    »Da müssten Sie ihn schon selbst fragen«, flüsterte sie.
    »Das würden wir gerne«, entgegnete Sansone. »Wo können wir ihn finden?«
    Sie blickte auf ihre krampfhaft ineinander verschränkten Hände hinunter. »Ich weiß es nicht.«
    Er seufzte. »Wir haben viel Zeit und Personal aufgewendet, um Sie ausfindig zu machen. Es hat uns volle zehn Tage gekostet.«
    Nur zehn Tage? Mein Gott, ich bin ganz schön unvorsich tig geworden.
    »Wenn Sie uns also einfach nur sagen würden, wo Dominic ist, würden Sie uns eine Menge Mühen sparen.«
    »Ich sagte Ihnen doch, ich weiß es nicht.«
    »Warum schützen Sie ihn?«, fragte Sansone.
    Bei dieser Frage hob sie ruckartig den Kopf. »Warum um al les in der Welt sollte ich ihn schützen?«
    »Er ist Ihr einziger lebender Blutsverwandter. Und Sie wissen nicht, wo er ist?«
    »Ich habe ihn seit zwölf Jahren nicht mehr gesehen«, gab sie zurück.
    Sansones Augen verengten sich. »Sie wissen so genau, wie lange es her ist?«
    Sie schluckte. Das war ein Fehler. Ich muss besser aufpas sen.
    »Was Lori-Ann und Sarah angetan wurde - das war Dominics Werk, Lily.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Soll ich Ihnen sagen, was er mit Sarah gemacht hat? Wie viele Stunden sie geschrien haben muss, während er ihr Kreuze in die Haut schnitt? Und raten Sie mal, was er an die Wand von Lori-Anns Schlafzimmer gemalt hat, dort, wo er auch ihre Leiche zerstückelte? Umgedrehte Kreuze. Das gleiche Symbol, das er in diese Stallwände geschnitzt hatte, als er fünfzehn Jahre alt war, in dem Sommer, als er bei Ihnen in

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