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Blutmale

Blutmale

Titel: Blutmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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nicht, wenn sie sich sein verknittertes Hemd und die dunklen Stoppeln in seinem Gesicht ansah. Sansone war nicht allein ins Zimmer gekommen; auch der Deutsche war da und hatte sich neben der Tür aufgestellt.
    Sie setzte sich im Bett auf und rieb sich die pochenden Schläfen. »Diese Villa gehört tatsächlich Ihnen?«
    »Sie ist seit Generationen im Besitz meiner Familie.«
    »Sie Glückspilz.« Sie hielt einen Moment inne. »Sie klingen aber wie ein Amerikaner.«
    »Das bin ich auch.«
    »Und der da drüben?« Sie hob den Kopf und schielte zu dem Deutschen hinüber. »Arbeitet der für Sie?«
    »Nein. Mr. Baum ist ein Freund von mir. Er arbeitet für Interpol.«
    Sie erstarrte. Dann senkte sie den Blick wieder auf die Bettdecke, sodass sie ihr Gesicht nicht sehen konnten.
    »Ms. Saul«, sagte er ruhig, »wieso gewinne ich den Eindruck, dass Sie Angst vor der Polizei haben?«
    »Habe ich nicht.«
    »Ich glaube, Sie lügen.«
    »Und ich glaube, Sie sind kein besonders guter Gastge ber. Sperren mich hier in Ihrem Haus ein und platzen dann herein, ohne anzuklopfen.«
    »Wir haben geklopft. Aber Sie sind nicht aufgewacht.«
    »Wenn Sie vorhaben, mich zu verhaften, verraten Sie mir dann vielleicht auch, wieso?«, fragte sie. Denn nun dämmerte ihr allmählich, was hinter dem Ganzen steckte. Irgendwie hat ten sie herausgefunden, was sie vor zwölf Jahren getan hatte, und sie hatten sie aufgespürt. Sie hatte sich oft ausge malt, wie es enden würde, aber diese Variante war nicht dabei gewesen. Ein kaltes, namenloses Grab draußen auf dem Feld, ja - aber die Polizei? Sie hätte am liebsten laut gelacht. Oh, bitte, verhaften Sie mich doch. Ich habe schon weit schlim meren Schrecken ins Auge geblickt als einer drohenden Gefängnisstrafe.
    »Gibt es einen Grund, weshalb wir Sie verhaften sollten?«, fragte Mr. Baum.
    Was erwartete er denn - dass sie auf der Stelle mit einem Geständnis herausplatzte? Da mussten sie sich schon ein bisschen mehr Mühe geben.
    »Lily«, sagte Sansone und setzte sich aufs Bett, eine Überschreitung ihrer persönlichen Grenzen, die sofort ihren Argwohn weckte. »Ist Ihnen bekannt, was sich vor einigen Wochen in Boston zugetragen hat?«
    »In Boston? Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
    »Sagt Ihnen der Name Lori-Ann Tucker irgendetwas?«
    Lily schwieg einen Moment, aufgeschreckt durch die Frage. Hatte Lori-Ann mit der Polizei geredet? Hatten sie es so herausgefunden? Du hast es mir versprochen, Lori-Ann. Du hast gesagt, du würdest es niemandem verraten.
    »Sie war eine Freundin von Ihnen, ist das richtig?«, fragte er.
    »Ja«, gab sie zu.
    »Und Sarah Parmley? War sie auch eine Freundin von Ihnen?«
    In diesem Moment registrierte sie, dass er das Wort war benutzt hatte. Nicht ist . Ihre Kehle war plötzlich staubtrocken. Das hörte sich gar nicht gut an.
    »Sie haben beide Frauen gekannt?«, bedrängte er sie.
    »Wir - wir sind zusammen aufgewachsen. Wir drei. Wieso fragen Sie nach ihnen?«
    »Dann haben Sie es noch nicht gehört.«
    »Ich bin nicht auf dem Laufenden. Es ist Monate her, dass ich zuletzt mit irgendjemandem in den Staaten gesprochen habe.«
    »Und es hat auch niemand Sie angerufen?«
    »Nein.« Wie denn auch? Ich habe ja schließlich alles da rangesetzt, mich unsichtbar zu machen.
    Er sah Baum an, dann wieder sie. »Es tut mir sehr leid, Ihnen das sagen zu müssen. Ihre Freundinnen sind tot - alle beide.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich nicht. War es ein Unfall? Wie können sie beide …?«
    »Kein Unfall. Sie wurden ermordet.«
    »Zusammen?«
    »Nein, einzeln. Es passierte um Weihnachten herum. Lori-Ann wurde in Boston ermordet, Sarah in Purity, New York. Sarahs Leiche wurde im Haus Ihrer Eltern gefunden, Lily - dem Haus, das Sie zu verkaufen versucht haben. Deswegen hat die Polizei nach Ihnen gesucht.«
    »Entschuldigen Sie mich«, stieß sie hervor. »Ich glaube, mir wird schlecht.« Sie stieg hastig aus dem Bett, stürzte in das angrenzende Bad, schlug die Tür hinter sich zu und sank vor der Toilettenschüssel auf die Knie. Der Wein, den sie am Abend getrunken hatte, kam wieder hoch und brannte in ihrer Kehle wie Feuer. Sie klammerte sich an der Schüssel fest und würgte, bis ihr Magen leer war, bis nichts mehr übrig war, was sie hätte erbrechen können. Dann spülte sie und wankte zum Waschbecken, wo sie sich Wasser in den Mund spritzte, ins Gesicht. Ihr Blick fiel auf ihr eigenes tropfnas ses Gesicht im Spiegel, und sie erkannte die Frau kaum wieder, die

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