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Blutmale

Blutmale

Titel: Blutmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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aufgefallen?«
    »Haben wir etwa keinen Respekt verdient?« Angela griff nach einem Küchenmesser und begann, einen Bund Petersi lie zu massakrieren. Die Klinge ratterte wie ein Maschinengewehr auf dem Schneidbrett. »Ich mach mir ja selber Vorwürfe. Hätte ihn besser erziehen sollen. Aber eigentlich ist euer Vater dran schuld. Er hat ihnen ein schlechtes Beispiel gegeben. Der weiß auch nicht zu schätzen, was er an mir hat.«
    Jane sah Gabriel nach, der die Gelegenheit nutzte, um sich unauffällig aus der Küche zu stehlen. »Äh … Mom? Hat Dad irgendwas angestellt, dass du so sauer auf ihn bist?«
    Angela sah Jane über die Schulter an. Die Messerklinge verharrte über der zerstückelten Petersilie. »Das braucht dich nicht zu interessieren.«
    »Tut es aber.«
    »Ich fange gar nicht erst damit an, Janie. O nein. Ich bin der festen Meinung, dass jeder Vater den Respekt seiner Kinder verdient, ganz gleich, was er tut.«
    »Also hat er etwas angestellt.«
    »Ich hab dir doch gesagt, ich fange gar nicht erst damit an.« Angela raffte die gehackte Petersilie zusammen und warf sie über die Gnocchi. Dann stapfte sie zur Tür und rief so laut, dass sie den Fernseher übertönte: »Essen! An den Tisch mit euch! «
    Trotz Angelas eindeutigen Kommandos dauerte es einige Minuten, bis Frank Rizzoli und seine beiden Söhne sich von der Mattscheibe losreißen konnten. Die Halbzeit-Show hatte begonnen, und langbeinige Mädels in Glitzerkostümen hüpften über die Bühne. Die drei Rizzoli-Männer saßen da und starrten wie in Trance auf den Bildschirm. Nur Gabriel stand auf, um Jane und Angela zu helfen, die Schüsseln und Platten ins Esszimmer zu tragen. Er sagte kein Wort, aber Jane wusste sehr wohl den Blick zu deuten, den er ihr zuwarf.
    Geht's hier an Weihnachten immer zu wie auf einem Kriegsschauplatz?
    Angela knallte die Schüssel mit den Bratkartoffeln auf den Tisch, marschierte ins Wohnzimmer und schnappte sich die Fernbedienung. Ein Knopfdruck, und der Fernseher war aus.
    Frankie stöhnte. »Mensch, Mom - in zehn Minuten tritt Jes sica Simpson auf und …« Er sah Angelas Miene und verstummte sofort.
    Mike sprang als Erster vom Sofa auf. Ohne ein Wort zu verlieren, eilte er gehorsam ins Esszimmer, gefolgt in etwas schleppenderem Tempo von seinem Bruder Frankie und Frank senior.
    Der Tisch war prachtvoll gedeckt. Kerzen flackerten in Kris tallständern, und Angela hatte ihr edles blau-goldenes Porzellan aus dem Schrank geholt, dazu Leinenservietten und die neuen Weingläser, die sie vor Kurzem gekauft hatte. Doch als sie sich an den Tisch setzte und die Festtafel betrachtete, verriet ihre Miene keinen Stolz, sondern vielmehr Missmut und Unzufriedenheit.
    »Das sieht fantastisch aus, Mrs. Rizzoli«, sagte Gabriel.
    »Oh, vielen Dank. Sie wissen es bestimmt zu schätzen, Gabriel, wie viel Arbeit in so einem Essen steckt. Sie können ja schließlich kochen.«
    »Na ja, ich hatte eigentlich keine andere Wahl; ich habe schließlich einige Jahre allein gelebt.« Er drückte Janes Hand unter dem Tisch. »Ich kann von Glück sagen, dass ich eine Frau gefunden habe, die kochen kann.« Wenn sie mal Zeit da für hat , hätte er noch hinzufügen können.
    »Ich habe Janie alles beigebracht, was ich weiß.«
    »Ma, kann ich mal das Lamm haben?«, rief Frankie.
    » Wie bitte?«
    »Das Lamm.«
    »Kannst du vielleicht bitte sagen? Ich gebe es dir, wenn du es gesagt hast, nicht eher.«
    Janes Vater seufzte. »Meine Güte, Angie. Es ist Weihnachten. Kannst du dem Jungen nicht einfach sein Essen geben?«
    »Ich gebe diesem Jungen seit sechsunddreißig Jahren sein Essen. Er wird schon nicht verhungern, nur weil ich mal ein bisschen Höflichkeit von ihm verlange.«
    »Äh … Mom?«, meldete sich Mike zu Wort. »Könntest du mir, äh, bitte die Kartoffeln reichen?« Schüchtern wiederholte er noch einmal: »Bitte?«
    »Sicher, Mikey.« Angela gab ihm die Schüssel.
    Eine Zeit lang sagte niemand etwas. Man hörte nur Kauen, Schlucken und das Klappern von Besteck auf Porzellan. Jane schielte zu ihrem Vater hinüber, der an einem Ende des Tisches saß, und dann zu ihrer Mutter am anderen Ende. Es gab keinen Blickkontakt zwischen den beiden. So groß war die Distanz zwischen ihnen, dass sie ebenso gut in verschiedenen Zimmern hätten essen können. Jane nahm sich nicht allzu oft die Zeit, ihre Eltern in Ruhe anzuschauen, aber heute Abend konnte sie nicht umhin, es zu tun, und was sie da sah, bedrückte sie. Wann waren die beiden so alt

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