Blutmale
geworden? Wann waren Moms Augenlider so schlaff geworden, wann waren von Dads Haaren bis auf diese schütteren Strähnen alle ausgefallen?
Wann hatten sie angefangen, einander zu hassen?
»Also, Janie, jetzt erzähl uns doch mal, was dich letzte Nacht so auf Trab gehalten hat«, sagte ihr Vater. Er sah seine Tochter an und vermied es geflissentlich, Angela auch nur mit einem Blick zu streifen.
»Hm - das will hier bestimmt keiner hören, Dad.«
»Ich schon«, meinte Frankie.
»Es ist Weihnachten. Ich glaube, wir sollten …«
»Wen hat's denn erwischt?«
Sie schoss ihrem älteren Bruder einen bösen Blick zu. »Eine junge Frau. Es war kein schöner Anblick.«
»Mir macht es überhaupt nichts aus, darüber zu reden«, sagte Frankie und schob sich ein rosiges Stück Lammfleisch in den Mund. Frankie, der Oberfeldwebel, wollte ihr offenbar demonstrieren, dass ihn so leicht nichts schocken konnte.
» Diese Geschichte würde dir sehr wohl was ausmachen. Mich lässt sie jedenfalls alles andere als kalt.«
»War sie attraktiv?«
»Was hat das denn damit zu tun?«
»Würde mich halt interessieren.«
»Das ist eine idiotische Frage.«
»Wieso? Wenn es eine gut aussehende Frau war, kann man besser verstehen, was den Täter dazu gebracht hat.«
»Sie zu töten ? Herrgott noch mal, Frankie.«
»Jane«, sagte ihr Vater. »Es ist Weihnachten.«
»Aber Janie hat doch recht«, sagte Angela gereizt.
Verblüfft sah Frank seine Frau an. »Deine Tochter flucht am Esstisch, und du fährst mich an?«
»Ihr glaubt wohl, dass nur hübsche Frauen es wert sind, ermordet zu werden?«
»Ma, das hab ich nicht gesagt«, protestierte Frankie.
»Das hat er nicht gesagt«, sprang ihm sein Vater bei.
»Aber das ist es, was ihr denkt. Alle beide. Nur gut aussehende Frauen sind es wert, dass man sich mit ihnen abgibt. Ob man sie liebt oder sie umbringt, es ist nur dann interessant, wenn sie hübsch sind.«
»Oh, bitte!«
»Bitte was, Frank? Du weißt, dass das stimmt. Du bist doch selbst das beste Beispiel.«
Jane und ihre Brüder sahen ihren Vater fragend an.
»Wieso ist er das beste Beispiel, Ma?«, fragte Mike.
»Angela«, mahnte Frank. »Es ist Weihnachten.«
»Ich weiß , dass Weihnachten ist!« Angela sprang auf und schluchzte auf. »Ich weiß .« Und damit stürzte sie hinaus in die Küche.
Jane sah ihren Vater an. »Was geht hier eigentlich vor?«
Frank zuckte mit den Achseln. »Ach, Frauen in dem Alter. Das sind die Wechseljahre.«
»Das sind nicht nur die Wechseljahre. Ich gehe mal nachsehen, was sie hat.« Jane stand auf und folgte ihrer Mutter in die Küche.
»Mom?«
Angela schien sie gar nicht zu hören. Sie stand mit dem Rücken zur Tür und schlug Sahne in einer Edelstahlschüssel. Der Mixer klapperte, und weiße Sprenkel landeten auf der Arbeitsfläche.
»Mom, ist alles okay?«
»Muss mich um den Nachtisch kümmern. Hab ganz vergessen, die Sahne zu schlagen.«
»Was ist denn los?«
»Ich hätte das zuerst fertig machen sollen, ehe wir uns an den Tisch gesetzt haben. Du weißt doch, wie ungeduldig dein Bruder Frankie wird, wenn er zu lange auf den nächsten Gang warten muss. Wenn wir ihn länger als fünf Minuten auf dem Trockenen sitzen lassen, schaltet er doch gleich wieder den Fernseher ein.« Angela griff nach der Zuckerdose und streute einen Löffel voll in die Schüssel, während der Mixer die Sahne quirlte. »Mikey gibt sich wenigstens Mühe, nett zu sein. Auch wenn er um sich herum nur schlechte Vorbilder sieht. Wohin er auch schaut, nur schlechte Vorbilder.«
»Mom, ich weiß doch, dass irgendwas nicht stimmt.«
Angela schaltete den Mixer aus und starrte mit hängen den Schultern in die Sahne, die jetzt so fest geschlagen war, dass es fast schon Butter war. »Das ist nicht dein Problem, Janie.«
»Wenn es deins ist, ist es auch meins.«
Ihre Mutter drehte sich um und sah sie an. »Verheiratet sein ist nicht so einfach, wie du denkst.«
»Was hat Dad getan?«
Angela band ihre Schürze ab und warf sie auf die Anrichte. »Kannst du den Kuchen für mich servieren? Ich habe Kopfschmerzen. Ich gehe nach oben und lege mich hin.«
»Mom, lass uns darüber reden.«
»Ich sage kein Wort mehr dazu. Ich gehöre nicht zu diesen Müttern. Ich würde meine Kinder niemals zwingen, Partei zu ergreifen.« Angela verließ die Küche und stieg mit schweren Schritten die Treppe zu ihrem Schlafzimmer hinauf.
Verwirrt ging Jane zurück ins Esszimmer. Frankie war so damit beschäftigt, seine zweite Portion
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