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Blutmale

Blutmale

Titel: Blutmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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denke ich überhaupt nicht nach.«
    »Worüber denkst du nach?«
    Er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn, und sie spürte seinen warmen Atem in den Haaren. »Darüber, wie es weitergeht.«
    »Was wünschst du dir denn?«
    »Ich will dich nicht verlieren.«
    »Du musst mich auch nicht verlieren. Du hast die Wahl.«
    »Die Wahl«, erwiderte er leise. »Es ist, als müsste ich zwischen Einatmen und Ausatmen wählen.« Er drehte sich auf den Rücken. Einen Moment lang schwieg er. »Ich glaube, ich habe dir schon einmal erzählt«, sagte er, »was mich dazu gebracht hat, mein Leben Gott zu weihen.«
    »Du hast gesagt, dass deine Schwester todkrank war. Sie hatte Leukämie.«
    »Und ich schloss einen Handel ab. Ein Abkommen mit Gott. Er hielt Wort, und Sophie lebt noch immer. Und auch ich habe mein Versprechen gehalten.«
    »Du warst erst vierzehn. Da ist man noch zu jung, um sich für den Rest seines Lebens durch ein Gelübde zu binden.«
    »Aber ich habe dieses Versprechen abgelegt. Und ich kann so viel Gutes tun in Seinem Namen, Maura. Es hat mich beglückt, dieses Gelübde zu erfüllen.«
    »Und dann bist du mir begegnet.«
    Er seufzte. »Und dann bin ich dir begegnet.«
    »Du musst dich irgendwie entscheiden, Daniel.«
    »Sonst wirst du wieder aus meinem Leben verschwinden, ich weiß.«
    »Das will ich aber nicht.«
    Er sah sie an. »Dann tu es nicht, Maura! Bitte. Die letzten Monate ohne dich waren furchtbar für mich, ich kam mir vor wie ein Verdurstender in der Wüste. Ich hatte solche Schuldgefühle, weil ich dich begehrte, und doch konnte ich an nichts anderes denken als an dich.«
    »Und was wird dann aus dir, wenn ich Teil deines Lebens bleibe? Du kannst deine Kirche behalten, aber was bekomme ich dafür?« Sie starrte in die Dunkelheit hinauf. »Im Grunde hat sich nichts geändert, oder?«
    »Alles hat sich geändert.« Er nahm ihre Hand. »Ich liebe dich.«
    Aber nicht genug. Nicht so, wie du deinen Gott liebst.
    Dennoch ließ sie sich wieder in seine Arme ziehen, erwiderte seine Küsse. Als sie sich ein zweites Mal liebten, war es keine zärtliche Vereinigung, sondern ein wildes Übereinanderherfallen, ein Aufeinanderprallen der Körper. Nicht Liebe, sondern Strafe. Heute Nacht würden sie einander benutzen. Wenn sie keine Liebe bekommen konnte, dann würde sie sich wenigstens ihre Lust nehmen. Und sie würde ihm etwas geben, was er nie vergessen würde, was ihn in sei nen Träumen heimsuchen würde, in Nächten, in denen Gott ihm nicht genug war. Das ist es, was du aufgibst, wenn du mich verlässt. Das ist das Paradies, aus dem du dich vertrei ben lässt.
    Noch vor Morgengrauen ging er. Sie spürte, wie er neben ihr erwachte, wie er vorsichtig die Beine über die Bettkante schwang und sich anzukleiden begann. Natürlich - es war Sonn tagmorgen, und er musste für seine Schäflein da sein.
    Er beugte sich herab, um ihr Haar zu küssen. »Ich muss gehen«, flüsterte er.
    »Ich weiß.«
    »Ich liebe dich, Maura. Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal zu einer Frau sagen würde. Aber jetzt sage ich es.« Er streichelte ihre Wange, und sie wandte sich ab, damit er die Tränen nicht sah, die ihr in die Augen stiegen.
    »Ich koch dir einen Kaffee«, sagte sie und wollte sich aufsetzen.
    »Nein, bleib ruhig liegen. Ich finde schon hinaus.« Noch ein Kuss, dann richtete er sich auf und ging hinaus. Sie hörte ihn den Flur entlanggehen, und dann fiel die Haustür ins Schloss.
    Nun war es also doch passiert. Sie war zu einem Kli schee geworden. Eva mit dem Apfel. Die Versucherin, die einen Mann Gottes zur Sünde verleitet. Aber diesmal war die Schlange, die sie beide verführt hatte, nicht Satan, sondern ihre eigenen einsamen Herzen. Sie suchen den Teufel, Mr. San sone? Dann sehen Sie einfach nur mich an.
    Sehen Sie uns beide an.
    Draußen war es inzwischen hell geworden, ein kalter, klarer Morgen. Sie warf die Bettdecke zur Seite, und der Geruch ihrer erhitzten Leiber stieg von den warmen Laken auf, der aufregende Duft der Sünde. Sie wusch ihn nicht unter der Dusche ab, sondern zog einfach einen Bademantel über, schlüpfte in ihre Pantoffeln und ging in die Küche, um Kaffee zu machen. Als sie an der Spüle stand und die Kanne füllte, fiel ihr Blick auf die mit Eiskristallen besetzten Ranken der Clematis vor dem Fenster, auf die Rhododendren, die sich mit verschrumpelten Blättern in den Schnee duckten, und sie musste gar nicht erst auf das Thermometer schauen, um zu wissen, dass die Kälte heute brutal

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