Blutmale
jetzt haben sie ihre Leiche entdeckt?«
»Sie wurde in einem leerstehenden Haus gefunden. Offenbar ziemlich abgelegen. Der Hausmeister sah ihren Wagen vor dem Gebäude stehen. Dann stellte er fest, dass die Haustür nicht abgeschlossen war, und ging hinein, um nach dem Rechten zu sehen. Er war es, der die Leiche entdeckte.«
»Was wollte die Frau denn in dem leeren Haus?«
»Das weiß niemand. Sarah war am 20. Dezember zur Beerdigung ihrer Tante angereist. Alle nahmen an, dass sie gleich nach der Trauerfeier wieder nach Kalifornien zurückgeflo gen sei. Aber dann rief plötzlich ihr Chef aus San Diego an und fragte nach ihr. Trotzdem kam immer noch niemand in der Stadt auf die Idee, dass Sarah überhaupt nicht abgereist sein könnte.«
»Wirf doch mal einen Blick in die Karte, Jane. Von Upstate New York bis Boston - die Tatorte sind dreihundert Meilen voneinander entfernt. Warum sollte der Mörder ihre Hand so weit transportieren? Vielleicht ist es ja nicht ihre.«
»Es ist ihre Hand. Ich weiß es. Ich sage dir, die Röntgenbilder werden zueinanderpassen wie die Teile eines Puzzles.«
»Wie kannst du da so sicher sein?«
»Sieh dir doch mal den Namen der Stadt an, in der Sarahs Leiche gefunden wurde.«
»Purity, New York. Ein kurioser Name, aber mir sagt er rein gar nichts.«
»Sarah Parmley ist in Purity aufgewachsen. Sie hat dort ihren High-School-Abschluss gemacht.«
»Und?«
»Und jetzt rate mal, wo Lori-Ann Tucker die High School besucht hat.«
Maura sah sie verblüfft an. »Sie stammt aus derselben Stadt?«
»Du hast es erfasst. Und auch Lori-Ann Tucker war achtundzwanzig Jahre alt. Vor elf Jahren müssten sie in dieselbe Abschlussklasse gegangen sein.«
»Zwei Opfer, die in derselben Stadt aufgewachsen sind und die gleiche Schule besucht haben. Sie müssen einander gekannt haben.«
»Und dort ist vielleicht auch der Täter ihnen begegnet. So ist er auf sie verfallen. Vielleicht war er schon seit der High School auf die beiden fixiert. Vielleicht haben sie ihm einen Korb gegeben, und er hat die letzten elf Jahre damit zugebracht, über seine Rache nachzusinnen. Dann taucht plötzlich Sarah zur Beerdigung ihrer Tante in Purity auf, und er sieht sie. Seine ganze Wut kocht wieder hoch. Er tötet sie, und als Souvenir behält er ihre Hand. Und das Ganze macht ihm so viel Spaß, dass er beschließt, es noch einmal zu tun.«
»Also fährt er eigens ins ferne Boston, um Lori-Ann zu töten? Ein ziemlicher Aufwand, nur um sich seinen Kick zu holen.«
»Aber nicht, um seine Rachegelüste zu befriedigen.«
Maura starrte nachdenklich auf die Straße hinaus. »Wenn es ihm nur um Rache ging, warum hat er dann an diesem Abend Joyce O'Donnell angerufen? Warum hat er seinen Zorn gegen sie gerichtet?«
»Die Antwort darauf kannte nur sie. Und sie hat sich geweigert, uns ihr Geheimnis anzuvertrauen.«
»Und warum diese Worte an meiner Tür? Was sollte da die Botschaft sein?«
» Ich habe gesündigt , meinst du?«
Maura errötete. Sie schlug die Mappe zu und hielt sie zwischen den Fäusten. Jetzt waren sie also wieder beim Thema angelangt. Dem einen Thema, über das sie auf keinen Fall sprechen wollte.
»Ich habe es Frost erzählt«, sagte Jane.
Maura erwiderte nichts, blickte nur starr geradeaus.
»Er musste es erfahren. Er hat auch schon mit Pater Brophy gesprochen.«
»Ihr hättet mich zuerst mit Daniel reden lassen sollen.«
»Wozu?«
»Um ihn ein wenig vorzubereiten.«
»Darauf, dass wir über euch beide Bescheid wissen?«
»Musst du das so verdammt abwertend klingen lassen?«
»Es war mir nicht bewusst, dass ich das tue.«
»Ich höre es doch an deiner Stimme. So was kann ich jetzt wirklich nicht gebrauchen.«
»Dann ist es ja gut, dass du nicht gehört hast, was Frost dazu gemeint hat.«
»Findest du das so ungewöhnlich? Es kommt jeden Tag vor, dass Menschen sich verlieben, Jane. Jeder macht Fehler.«
»Aber nicht du !« Jane klang beinahe wütend, als fühlte sie sich verraten. »Dich hatte ich immer für klüger gehalten.«
»So klug ist kein Mensch.«
»Daraus kann doch nichts werden, und das weißt du selbst ganz genau. Wenn du darauf setzt, dass er dich irgendwann heiratet …«
»Das mit dem Heiraten habe ich schon mal versucht, erinnerst du dich? Mit durchschlagendem Erfolg …«
»Und was erwartest du dir von dieser Geschichte?«
»Ich weiß es nicht.«
»Aber ich weiß, was dich erwartet. Es fängt an mit dem Getuschel deiner Nachbarn, die sich fragen, wieso der Wagen
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