Blutmond der Templer
offiziellen Fundstätten, zu denen auch Touristen und Besucher hingeführt wurden.
Rechts der Strecke lag ein kleiner Ort. Den hellen Kirchturm sahen wir über die Dächer der Häuser hinwegragen. Jenseits der Ansiedlung wuchs ein terrassenartiger Tafelberg in die Höhe. Rinder und Schafe weideten darauf. Malta war nicht nur staubig und trocken. Das Meer sahen wir leider nicht mehr. Aber der Dunst blieb. Es war sehr heiß und schwül geworden.
Salazar saß neben mir. Er schaute zum Himmel. »Wir werden ein Gewitter bekommen«, sagte er.
»Damit rechne ich auch.«
»Wenn es vorbei ist, kannst du sehen, wie die Insel aufatmet, wie sie erblüht. Das Wasser lockt Kräfte aus ihr hervor, die tief verborgen gelegen haben.«
»Auch Blüten?«
»Ja, manche Gegenden verwandeln sich in ein regel-rechts Meer aus Blüten. Es ist wunderbar anzusehen.«
Ich hoffte nur, daß wir es noch erlebten. Die Farbe des uns begleitenden Staubes hatte sich etwas verändert. Sie war nicht mehr so hell, sondern braun und ockerfarben. Die Hänge, über die wir fuhren, wirkten sehr lang. Überall lagen die dicken Steine, als hätte sie jemand achtlos weggeworfen. Zwischen ihnen hatten Pflanzen eine Heimat gefunden, die in England höchstens in den Wohnungen der Sammler wuchsen. Kakteen!
Sehr hoch, oft breit und von einer verwirrenden Vielfalt. Außerdem dunkel bis hellgrün schimmernd. Ein wunderbarer Farbton inmitten der wüstenartigen Steinlandschaft.
Wieder erschien in der Ferne ein kleiner Ort. Er besaß sogar noch eine Stadtmauer. Sie umschloß ihn wie einen Wall. Die Häuser brüteten in der dunstigen Sonne.
Vor der Mauer waren Stände aufgebaut worden. Wahrscheinlich würde ein Markt abgehalten werden.
Ein Schäfer hatte seine Herde ebenfalls in die Nähe der Stadtmauer getrieben. Die Tiere lagen apathisch auf dem Boden. Selbst die Hunde hockten bei ihrem Herrn neben einem Wasserloch oder einer Wasserstelle, denn ich sah das graublaue Schimmern.
»Ein unterirdischer Brunnen speist diese Wasserstelle«, erklärte mir Salazar.
Ich wischte mir zum mindestens zehnten Mal den Schweiß aus dem Gesicht, ohne daß es etwas nutzte. Ich schwitzte weiter. Außerdem quälte mich der Durst.
Bei einer derartigen Reise wird man irgendwann apathisch. Man schaltet das eigene Denken aus und reagiert nur automatisch. Fahren, gasgeben, schalten, bremsen, das Starren auf die Piste und die verfluchten Staubwolken hinein.
Obwohl ich Begleitung hatte, kam es mir manchmal so vor, als würde ich allein im Fahrzeug sitzen.
Man kann auch nicht richtig denken. Die Hitze dörrte alles aus. Wir Europäer aus dem Norden oder Westen waren dafür nicht geschaffen. Daß ein mehrfacher Mörder mit uns fuhr, daran verschwendete ich nicht einmal einen Gedanken.
Niemand sprach. Im Wagen herrschte ein drückendes, lastendes Schweigen. Die Hitze war einfach zu groß, um eine Unterhaltung aufkommen zu lassen.
Ein jeder schaute dumpf vor sich hin. Auch Salazar litt unter der Hitze. Er stöhnte hin und wieder auf. Wenn ich ihm dann einen fragenden oder besorgten Blick zuwarf, schüttelte er nur den Kopf. Mir kam es vor, als wären wir schon Stunden unterwegs. Der ältere VWBus war ein guter Griff gewesen. Er tat seinen Dienst und ließ uns nicht einmal im Stich.
Obwohl wir noch nicht einmal 60 Minuten unterwegs waren, kam es mir vor wie Stunden.
»Wie weit ist es noch?« fragte ich irgendwann.
Salazar deutete gegen die mit Staub bedeckte Frontscheibe. »Wir werden in die Kette aus Hügelrücken hineinfahren müssen. In einem der Muldentäler liegt die Stätte.«
»Ist sie schwer einsehbar?«
»Sehr schwer.«
Das hatte ich mir gedacht. Da auch keine Besucher erscheinen würden, waren wir völlig auf uns allein gestellt. Wenn ich ehrlich war, so war es mir auch recht.
Die Hügelkette schob sich allmählich heran. Runde Buckel ragten aus dem Gelände. Natürlich mit Steinen bedeckt und belegt. An einigen Stellen, wo es etwas schattiger war, wuchs staubiges Gras, das einen hellen Grün ton zeigte.
Von der Tempelanlage war noch nichts zu sehen. Sie verstecke sich zwischen den Hängen des unebenen Geländes.
Wir rollten hinein.
Nicht über einen Pfad. Noch befanden wir uns auf der Höhe, wo es weder Weg noch Steg gab, nur Steine und diesen verdammten Staub, der einfach niemals abreißen wollte.
Den größeren Brocken konnte ich durch geschicktes Lenken ausweichen, bei den kleinen war das nicht der Fall. Sie hämmerten, wenn sie aufgewirbelt wurden, gegen den
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