Blutmond - Wilsberg trifft Pia Petry - Kriminalroman
Dracu schnappt sich meine Koffer, läuft zur Rezeption und zückt seinen Geldbeutel. Ich schätze, er begleicht meine Minibarrechnung.
Bevor ich irgendetwas sagen, irgendetwas erklären kann, springt Wilsberg auf.
»Ganz offensichtlich haben Sie schon einen Partner gefunden«, sagt er eisig. Dann dreht er sich um und rennt davon.
Bestürzt blicke ich hinter ihm her. Es sieht nicht so aus, als sei das der Anfang einer wunderbaren Zusammenarbeit gewesen.
14
Wilsberg steht im Abseits
In der Tat unterscheiden sich unsere Arbeitsweisen ein bisschen, dachte ich, als ich dem Wagen folgte, in dem Dracu und Pia Petry saßen. Ich bekam nicht gleich weiche Knie und einen verzückten Gesichtsausdruck, wenn ein Lederheini mit düsterer Ausstrahlung auftauchte. Und bestimmt würde ich mich nicht von jemandem wie Dracu an die Hundeleine legen lassen. Aber vielleicht hoffte Pia ja, dass er ihr seine tiefsten Geheimnisse verriet, sobald er sie auf der Streckbank festbinden durfte.
Ich stoppte meinen Anflug von Eifersucht und zwang mich dazu, die Lage zu analysieren. Vieles ergab jetzt einen Sinn. Zum Beispiel, dass mir Pia Petry dauernd über den Weg gelaufen war. Nur meine Vermutung, dass Jochen Averbeck seine Frau selbst verletzt hatte, stand plötzlich auf bröckeligem Untergrund. Kaum denkbar, dass er der Täter war, wenn er jemanden dafür bezahlte, die Sache aufzuklären. Es sei denn, er benutzte Pia Petry, um von sich ab- und den Verdacht auf jemand anderen zu lenken. Oder um herauszufinden, was ich wusste.
Nein, das war zu abstrus. Ich verwarf den Gedanken und wandte mich dem nächsten Problem zu, der ermordeten Verkäuferin aus dem SM-Laden. Falls es einen Zusammenhang zwischen dem Überfall im Club und dem Mord gab, und intuitiv ging ich davon aus, musste etwas anderes hinter dem Ganzen stecken. Doch wer hatte ein Motiv für die Verbrechen?
Vorerst hielt ich mich an das nahe Liegende, und das fuhr in einem Opel Astra zehn Meter vor mir. Ich gab mir keine Mühe, die Verfolgung als etwas anderes aussehen zu lassen. Stoßstangenfahrt nennen das die Schlapphüte vom Geheimdienst, wenn der Verfolgte wissen soll, dass er unter Beobachtung steht. Und natürlich hatte mich Dracu längst im Rückspiegel entdeckt. Demonstrativ legte er seine Hand auf Pia Petrys Schulter.
Ich biss die Zähne zusammen und verzog das Gesicht zu einem Grinsen. Streng dich ruhig an, Freundchen, dachte ich, aber den Plan, zu einem gemütlichen, abgelegenen Kerker zu fahren, kannst du dir aus dem Kopf schlagen.
Tatsächlich war es kein Kerker, sondern eine Villa, vor deren Hauptportal Dracu anhielt, nachdem sich das zweiflügelige metallene Tor an der Straße automatisch geöffnet und den Zufahrtsweg durch einen parkähnlichen Garten freigegeben hatte. Außerhalb von Angelmodde und direkt an der sanft plätschernden Werse gelegen, wirkte das moderne zweistöckige Haus, dessen Vorderfront von klaren Linien und viel Glas beherrscht wurde, wie eine bescheidene Millionärsunterkunft. Dazu passte, dass es neben dem Tor zwar eine überdimensional große Klingel und eine Kamera, aber kein Namensschild gab.
Ich parkte am Straßenrand und beobachtete, wie Dracu Pia Petrys Gepäck ins Innere der Villa schleppte. Weil er im Hotel den Namen Renate erwähnt hatte, nahm ich an, dass das Anwesen den Averbecks gehörte. Anscheinend war meine Kollegin tatsächlich eine Freundin der Familie. Da sie sich gerne mal einen Porsche mietete und in teuren Hotels logierte, kannte sie sich in diesen Kreisen wohl aus. Vermutlich saß sie in ihrem Büro an einem edel gestylten Schreibtisch und ließ sich von einem gut aussehenden Angestellten den Tee servieren. Ein kleiner Schnüffler wie ich konnte da nicht mithalten.
Während ich noch diesen trüben Gedanken nachhing, registrierte ich zu meiner Erleichterung, dass sich Dracu mit seiner Rolle als Kofferträger begnügte. Nach wenigen Minuten kam er wieder aus dem Haus heraus und fuhr zum Tor zurück. Als er auf die Straße einbog, winkte er mir zu.
Mit einem müden Lächeln gönnte ich ihm seine kleine Rache. Die Lektion, die ich ihm im Club erteilt hatte, würde ihn noch länger wurmen, da war ich ganz sicher.
Als Dracu verschwunden war, stieg ich aus. Ich überquerte die Straße und drückte, nur um mich zu vergewissern, auf die im Torpfosten eingelassene Klingel.
Die Videokamera ruckelte und zoomte auf mein Gesicht.
»Ja, bitte?«, quäkte eine weibliche Stimme.
»Ich möchte Herrn Averbeck
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