Blutmond - Wilsberg trifft Pia Petry - Kriminalroman
detektivische Fachliteratur. Seine Sprechweise und seine Bewegungen waren merkwürdig bedächtig, hatten so rein gar nichts von der hypernervösen Virilität der manisch Kreativen. Womöglich lag ich mit meiner Berufseinschätzung ja falsch.
»Setzen Sie sich doch!«, schlug ich vor.
Er kam langsam zum Schreibtisch, blieb allerdings stehen. »Ist das hier Ihre ganze Agentur?«
Mir schien, als hörte ich einen leichten hanseatischen Singsang in seiner Stimme.
»Ja.«
»Ihre Geschäfte laufen wohl nicht besonders?«
»Sind Sie Vertreter eines Möbelhauses oder wollen Sie mich als Privatdetektiv engagieren?«
»Ich suche Pia Petry.«
Ich brauchte eine Sekunde, um die Antwort zu verdauen. »Warum?«
»Weil sie verschwunden ist.«
»Gestern Abend habe ich sie noch gesehen. Da machte sie keinen verschwundenen Eindruck.«
»Wo haben Sie sie gesehen?«
Ich lächelte ihn an. »Entschuldigen Sie, Auskünfte gibt's bei mir nicht gratis.«
»Hören Sie, Herr Wilsberg«, er strich sich über die faltenlose Stirn, »ich versuche seit zwei Tagen, Frau Petry zu erreichen. Aber sie geht nicht an ihr Handy.«
»Solche Kommunikationsprobleme sollen vorkommen«, sagte ich. »Vor allem seitdem man auf dem Display erkennen kann, wer anruft.«
Er stützte sich mit beiden Händen auf dem Schreibtisch ab und schaute mich von oben herab an. »Ich mache mir Sorgen.«
Ich lehnte mich zurück. »Vielleicht sollten Sie nochmal von vorne anfangen und mir erzählen, wer Sie sind.«
»Ich arbeite für die Agentur P-Quadrat in Hamburg.«
»P-Quadrat?«
»Die Abkürzung von Pia Petry. Originell, nicht?«
Langsam dämmerte es mir. »Sie sind bei ihr angestellt?«
»Sozusagen. Pia, ich meine, Frau Petry hält mich für gewöhnlich über ihre Arbeit auf dem Laufenden. Dass sie zwei Tage lang nicht auf meine Anrufe reagiert, kann nur bedeuten, dass etwas passiert sein muss. Im Hotel ist sie jedenfalls nicht mehr und eine Nachricht hat sie auch nicht hinterlassen. Und da Sie mit ihr Kontakt hatten ...«
Ich stand auf, weil es mich nervte, dass ich zu ihm aufschauen musste. »Was hat sie Ihnen sonst noch erzählt?«
»Dass Sie beide an demselben Fall arbeiten. Und dass Sie diese fürchterlich zugerichtete Frauenleiche gefunden haben.« Er musterte mich vorwurfsvoll. »Ich habe ihr geraten, zur Polizei zu gehen, aber sie wollte davon nichts wissen. Anscheinend hat sie Ihnen vertraut.«
»Und jetzt denken Sie, ich habe Ihre Chefin ebenfalls ermordet? Möchten Sie nachsehen, ob ich sie irgendwo in der Wohnung versteckt habe?«
»Das ist nicht witzig, Herr Wilsberg.« Seine Stimme schwoll an. »Entweder Sie sagen mir jetzt, was Sie wissen, oder ich gehe zur Polizei.«
»Die Polizei wird Ihnen nicht helfen können. Ich habe Frau Petry aus den offiziellen Ermittlungen herausgehalten, in ihrem eigenen Interesse übrigens.«
»Dann verraten Sie mir endlich, wo Sie Pia gestern Abend gesehen haben!«
»Im Club Marquis. «
»Diesem Sadomaso-Club?«
»Genau. Sie war an ein Andreaskreuz gefesselt und schien viel Spaß mit einem überaus begabten Sadisten zu haben.«
Jetzt musste Cornfeld schlucken. Sein Gesicht wurde abwechselnd weiß und rot. »Das glaube ich nicht.«
»Ihre Chefin hat ganz neue Seiten an sich entdeckt. Das muss wohl an dem toleranten münsterschen Klima liegen.«
»Wenn sie sich überhaupt auf so etwas eingelassen hat, dann nur aus Recherchegründen.«
Ich nickte. »Ja, ich glaube, sie erwähnte etwas Ähnliches. Und dann meinte sie noch, ich sollte aufhören, sie retten zu wollen. Das nehme ich mir sehr zu Herzen, Herr Cornfeld. Deshalb interessiert es mich, mit Verlaub, einen Scheißdreck, wo sich Ihre Chefin aufhält.« Ich ging zur Tür. »Das war die kostenlose Kollegenhilfe. Für alles Weitere berechne ich Ihnen fünfzig Euro pro Stunde.«
»Bei so einem niedrigen Tarif kommen Sie nie auf einen grünen Zweig.«
»Für Sie mache ich es auch teurer.« Ich öffnete auffordernd die Tür, doch er blieb wie angewurzelt neben dem Schreibtisch stehen und starrte mich trotzig an.
»Sie müssen doch eine Ahnung haben, wo sie sein könnte.«
Der Mann ging mir auf den Keks. Was meine Kopfschmerzen vom Vormittag dazu ermunterte, den Kampf gegen die chemische Keule wieder aufzunehmen. Ich hatte große Lust, Cornfeld einfach hinauszuwerfen. Andererseits schien seine Besorgnis um seine geliebte Chefin echt zu sein. Bevor er sich an meinem Schreibtisch festklammerte, war es wahrscheinlich klüger, ihm die Information zu
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