Blutmond - Wilsberg trifft Pia Petry - Kriminalroman
geben.
»Sie ist bei Renate Averbeck eingezogen.«
»Der Frau, die verletzt worden ist?«
»Ja, außerdem die Ehefrau von Pias Auftraggeber, der gleichzeitig der Hauptverdächtige ist. Wenn Sie meine unmaßgebliche Meinung hören wollen, Herr Cornfeld, sollte man als Privatdetektivin Berufliches und Privates nicht zu sehr vermischen.«
»Ihre Meinung interessiert mich aber nicht«, gab er zurück. »Frau Petry wird ihre Gründe gehabt haben.«
»Sicher. Noch was?«
»Ja. Können Sie mir die Telefonnummer der Averbecks geben?«
Nettes Kerlchen. Nach nur fünf Minuten machte er mich schon zu seinem Sekretär. »Wenn Sie versprechen, danach zu verschwinden.«
Er signalisierte Zustimmung und ich gab ihm die Nummer. Doch der Versuch, die Zahlen in sein Handy einzugeben, scheiterte kläglich. »Ich glaube, der Akku ist leer. Dürfte ich kurz Ihr Telefon benutzen?«
Ergeben deutete ich zu meinem Tischapparat.
Er ließ es dreißig Sekunden lang klingeln. »Es nimmt niemand ab.«
»Nun, die Herrschaften werden im Garten sein oder auf dem Golfplatz, falls sie nicht gerade einen kleinen Ausritt machen.«
»Ihre sarkastische Attitüde können Sie sich sparen«, konterte er. »Die zieht bei mir nicht. Wissen Sie, Herr Wilsberg, ich finde es erbärmlich, dass Sie hier herumsitzen und flotte Sprüche klopfen. Ist es Ihnen wirklich so egal, ob sich Frau Petry in Gefahr befindet?«
Der Typ war wirklich brüllend komisch. Kam aus Hamburg hereingeschneit und machte mir Vorwürfe, obwohl er nicht die geringste Ahnung hatte, wie viel vergebliche Mühe ich in den letzten Tagen für Pia Petry auf mich genommen hatte. Trotzdem musste ich zugeben, dass er nicht ganz Unrecht hatte. Dass bei den Averbecks niemand ans Telefon ging, war kein gutes Zeichen. Jochen Averbeck konnte jederzeit durchdrehen. Vielleicht ahnte er, dass er in der Falle saß. Und wozu er fähig war, hatte ich in Wegeners Wohnung mit eigenen Augen gesehen.
»Wie finde ich das Haus?«, fragte Cornfeld.
»Kaufen Sie sich einen Stadtplan oder nehmen Sie ein Taxi!«
»Besten Dank!«, antwortete er frostig und stapfte zur Tür.
Sein Urteil über mich wäre wahrscheinlich noch härter ausgefallen, wenn ich ihm erzählt hätte, dass ich vor zwei Stunden, als ich unter der Dusche stand, drei Anrufe von einer unbekannten Nummer bekommen hatte. Denkbar, dass Pia versucht hatte, mich zu erreichen, und dazu ein fremdes Handy benutzen musste, weil sie an ihr eigenes nicht herankam.
»Warten Sie!« Ich folgte Cornfeld. »Ich komme mit.«
»Nicht nötig, Herr Wilsberg. Ich komme schon zurecht.«
»Ich tue es nicht für Sie, Herr Cornfeld, sondern für Pia.«
Während der Fahrt nach Angelmodde schlossen wir eine Art Waffenstillstand. Ich berichtete von den bisherigen Ermittlungen, ohne auf das komplizierte zwischenmenschliche Verhältnis einzugehen, das mich mit seiner Chefin verband. Und Cornfeld stellte relativ kluge Fragen. Anscheinend war er der analytische Part der Detektivagentur P-Quadrat.
»Das kann man so sehen«, antwortete er auf meine Frage. »Ich arbeite überwiegend im Büro, kümmere mich um Hintergrundrecherchen, Analysen und die Buchhaltung. Feldarbeit ist die Domäne von Frau Petry. Gelegentlich muss ich sie auch bremsen. Frau Petry reagiert manchmal etwas impulsiv. Und sie verhält sich nicht immer ...«, er suchte nach den richtigen Wörtern, »... sehr vernünftig.«
»Kann ich mir vorstellen«, sagte ich.
Das gefiel ihm auch nicht. Kritik an seiner Chefin durfte nur er üben. »Woher wollen Sie das wissen? So gut kennen Sie Pia doch gar nicht, oder?«
»Gut genug.«
»Wollen Sie mir erzählen ...«
»Nein, ich will Ihnen nichts erzählen.«
Womit das Gespräch erst einmal beendet war. Um es wieder in Gang zu bringen, erkundigte ich mich, wie P-Quadrat denn so laufe. Cornfeld hielt sich zwar bedeckt, aber zwischen den Zeilen hörte ich heraus, dass die Agentur keine Cashcow war und die Chefin gern über ihre Verhältnisse lebte. Außer Cornfeld gab es keine weiteren Angestellten und er hielt sich ein Hintertürchen offen. Nebenbei würde er an seiner Promotion in Betriebswirtschaft arbeiten, erzählte er stolz, die Detektivarbeit sei für ihn nur eine Übergangslösung.
Als wir bei der Villa der Averbecks ankamen, stand das Tor zur Einfahrt weit offen. Etwas stimmte hier ganz und gar nicht. Zumal Cornfelds energisches Drücken der Türklingel keinerlei Reaktion hervorrief.
»Finden Sie das nicht komisch?«, fragte
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